Rn 8

Wie in der Berufungsinstanz (§ 529 II 1) hat das Revisionsgericht nach § 557 III das Berufungsurteil auf vAw zu berücksichtigende Verfahrensmängel zu überprüfen. VAw zu berücksichtigen sind Normen, die den Inhalt von Partei- oder Gerichtshandlungen betreffen, insb die Prozessvoraussetzungen sowie Vorschriften, die die Öffentlichkeit der Verhandlung oder das rechtliche Gehör gewähren sollen (§ 529 Rn 21, 24). Dazu gehören die Sachurteilsvoraussetzungen, wie Partei- und Prozessfähigkeit, Prozessführungsbefugnis und Prozessstandschaft, die Bestimmtheit des Klageantrags, das Rechtsschutzinteresse sowie die Zulässigkeit einer (Zwischen-)Feststellungsklage (Musielak/Voit/Ball § 557 Rz 14). Dazu gehören auch die Prozessfortsetzungsbedingungen, so zB die Zulässigkeit des Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil als Sachverhandlungsvoraussetzung und Sachurteilsvoraussetzung (BGH NJW 76, 1040 f [OLG Köln 20.01.1976 - 3 W 49/75]; Zö/Heßler § 557 Rz 8). Zu prüfen ist auch, ob das angefochtene Urt überhaupt ergehen durfte, zB ob die Voraussetzungen eines Grundurteils vorlagen (Zö/Heßler § 557 Rz 8; Musielak/Voit/Ball § 557 Rz 16). Auch das Fehlen der Mindestangaben des § 540 Abs 1 Nr 1 stellt einen vAw zu berücksichtigenden Verfahrensmangel dar, der regelmäßig zur Aufhebung und Zurückverweisung führen muss (BGH NJW 11, 2054 [BGH 25.05.2011 - IV ZR 59/09] Tz 9, zu den Ausnahmen Tz 10).

 

Rn 9

Die gebotene Prüfung einer Prozessvoraussetzung oder Prozessfortsetzungsbedingung in der Revisionsinstanz ›von Amts wegen‹ bedeutet nicht nur, dass eine Rüge des Revisionsklägers entbehrlich ist. Vielmehr beinhaltet dies auch, dass das Revisionsgericht an den vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt nicht gebunden ist. Das Revisionsgericht muss daher die Prozessvoraussetzung/Prozessfortsetzungsbedingung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht prüfen; es ist befugt, selbst Beweise zu erheben und zu würdigen, also die zur Entscheidung erforderlichen Tatsachen für den entscheidungserheblichen Zeitpunkt festzustellen. Da die Sachurteilsvoraussetzungen und die der Parteidisposition entzogenen Prozessvoraussetzungen auch dem Schutz des Allgemeininteresses dienen, ist das Revisionsgericht sogar (ausnahmsweise) befugt und verpflichtet, neu vorgebrachte Beweismittel zur Feststellung einer erheblichen Tatsache zu berücksichtigen, ohne dass die Voraussetzungen eines Wiederaufnahme-/Restitutionsgrundes nachgewiesen sind (BGH NJW 76, 1940 f [BGH 21.06.1976 - III ZR 22/75] mwN).

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