a) Grundsatz.
Rn 6
Da dem Revisionsgericht ein durch § 563 II näher ausgeformtes Beurteilungsmonopol zugewiesen ist, hat das Berufungsgericht die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegen hat, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Damit soll vermieden werden, dass die endgültige Entscheidung der Sache dadurch verzögert oder gar verhindert wird, dass sie ständig zwischen Berufungsgericht und Revisionsgericht hin- und hergeschoben wird, weil keines der beiden Gerichte seine Rechtsauffassung ändert. Damit bei einer der Aufhebung zugrunde liegenden höchstrichterlichen Rechtsfortbildung für das Berufungsgericht jeder Anreiz entfällt, seine gegenteiligen Erwägungen in demselben Verfahren unter Verstoß gegen § 563 II gleichwohl zur höchstrichterlichen Nachprüfung zu stellen, korrespondiert mit der Bindungswirkung für die Berufungsgerichte eine Selbstbindung des Revisionsgerichts, die lediglich für den Ausnahmefall einer inzwischen geänderten höchstrichterlichen Rspr entfällt. Die verfahrensrechtlichen Bindungen dienen dem höherrangigen Zweck, einen alsbaldigen Rechtsfrieden zwischen den Prozessparteien herbeizuführen. Sie sind daher tendenziell einer Rechtskraft vergleichbar (stRspr vgl BGH NJW 07, 1127 [BGH 21.11.2006 - XI ZR 347/05] Tz 20 mwN; vgl auch BAG NJW 09, 3739 [BAG 15.09.2009 - 3 AZN 404/09] Tz 12).
b) Bindung des Berufungsgerichts.
Rn 7
Ausgehend von diesem Grundsatz ist das Berufungsgericht an die der Aufhebung zugrunde liegende Rechtsauffassung selbst dann gebunden, wenn nach seiner Ansicht ein Rechtssatz übersehen oder ein solcher irrtümlich falsch ausgelegt worden ist (BGH NJW 94, 2956, 2957 [BGH 04.05.1994 - XII ARZ 36/93]). Die Bindung an das zurückweisende Urt besteht auch bei verfassungsrechtlichen Bedenken des Berufungsgerichts, insb kann sich dieses der Bindung nicht mit dem Argument entziehen, die Ansicht des Revisionsgerichts sei greifbar gesetzeswidrig (BGH NJW 07, 1127 [BGH 21.11.2006 - XI ZR 347/05] Tz 21).
Rn 8
Bindungswirkung entfaltet allerdings nur diejenige rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts, auf welcher die Aufhebung unmittelbar beruht und die sich aus der revisionsgerichtlichen Entscheidung ergibt (BGH WM 17, 1326 Tz 6 f). Nicht gebunden ist das Berufungsgericht an Erfahrungssätze oder technische Regeln, auf denen das Revisionsurteil beruht (BGH NJW 82, 1049, 1050 [BGH 27.10.1981 - VI ZR 66/80]; Musielak/Voit/Ball § 563 Rz 10; MüKoZPO/Krüger § 563 Rz 12). Keine Bindung besteht an die der Revisionsentscheidung zugrunde gelegten Tatsachen, soweit diese nicht ausnahmsweise vom Revisionsgericht selbst festzustellen waren (BGH NJW 95, 3115, 3116 [BGH 19.06.1995 - II ZR 58/94]). Des Weiteren entfaltet die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts nur insoweit Bindungswirkung nach § 563 II, als sie unmittelbar zur Aufhebung des Berufungsurteils geführt hat (BGHZ 163, 223, 233; BGHZ 132, 6, 10; Musielak/Voit/Ball § 563 Rz 11). An Rechtsauffassungen des Revisionsgerichts in obiter dicta besteht – mangels Entscheidungskausalität – keine Bindung (Zö/Feskorn § 563 Rz 5; Musielak/Voit/Ball § 563 Rz 11; MüKoZPO/Krüger § 563 Rz 12).
Dass die Bindung nur hinsichtlich solcher Ansprüche besteht, die Gegenstand der Revisionsentscheidung waren, versteht sich von selbst (vgl auch Musielak/Voit/Ball § 563 Rz 12). Die Bindungswirkung entfällt, wenn das Berufungsgericht neue Tatsachen feststellt und der zweiten Berufungsentscheidung einen anderen Sachverhalt zugrunde legt, als den, von dem das Revisionsgericht auszugehen hatte (BGH WM 17, 1326 Tz 11; BGHZ 159, 122, 127; BGHZ 145, 316, 319), dgl wenn sich die Rechtslage nachträglich ändert (Musielak/Voit/Ball § 563 Rz 13).