1. Erinnerung.
Rn 4
Die Erinnerung (zB §§ 573, 766; § 11 I 2 RPflG) ist kein Rechtsmittel, sondern ein Rechtsbehelf. Sie wird vom Richter des Ausgangsgerichts beschieden und gelangt nicht in die höhere Instanz. Die Entscheidung über die Erinnerung kann mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar sein (nicht im Falle des § 11 II RPflG). Neben den gesetzlich geregelten Rechtsbehelfen gibt es eine Reihe formloser Rechtsbehelfe, die ebenfalls auf eine Änderung der angegriffenen Entscheidung durch das Ausgangsgericht selbst gerichtet sind. Weil sie gesetzlich nicht geregelt und in Voraussetzungen und Rechtsfolgen unklar sind, gehören sie nicht zum ›Rechtsweg‹, dessen Erschöpfung § 90 II 1 BVerfGG fordert (BVerfG NJW 03, 1924, 1928 = BVerfGE 107, 395 [BVerfG 30.04.2003 - 1 PBvU 1/02]).
2. Außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit.
Rn 5
Die außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit ist in der Rspr des Bundesgerichtshofs für ›Ausnahmefälle krassen Unrecht‹ entwickelt worden. Ein an sich unanfechtbarer Beschl konnte mit der außerordentlichen Beschwerde angegriffen werden, wenn er jeder gesetzlichen Grundlage entbehrte und inhaltlich dem Gesetz fremd, mit der Rechtsordnung schlechthin unvereinbar war (BGHZ 109, 41, 43 f = NJW 90, 840 f; BGHZ 119, 372, 374 = NJW 93, 135, 36; vgl bereits BGHZ 28, 349, 350). Seit Inkrafttreten des ZPO-Reformgesetzes am 1.1.02 gibt es die außerordentliche Beschwerde nicht mehr, nachdem der Gesetzgeber sie nicht in das neugefasste Beschwerderecht aufgenommen hatte (BGHZ 150, 133, 135 f = NJW 02, 1577; NJW 03, 3137, 3138; BGHZ 159, 14, 18 = NJW 04, 2224; RdL 13, 80 Rz 5; WM 21, 197 Rz 16; BFHE 216, 511; BFH/NV 13, 1611; BVerwG NVwZ 05, 232; LG Göttingen ZInsO 16, 60; aA LG Bonn NZI 16, 845, 846). Ihre Zulassung verstieße gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende verfassungsrechtliche Gebot der Rechtsmittelklarheit (BGH RdL 13, 80 Rz 5; vgl dazu BGH WM 14, 1494 Rz 14; 29.4.21 – I ZB 49/20 Rz 18; 5.10.23 – I ZB 48/23 Rz 3). Teilweise ist ihre Funktion von der durch das Anhörungsrügengesetz vom 9.12.04 (BGBl I 3220) neu gestalteten Anhörungsrüge (§ 321a) übernommen worden, die ebenfalls beim Ausgangsgericht eingelegt wird und mit welcher die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör der durch die Entscheidung beschwerten Partei gerügt werden kann. Ist sie begründet, hilft das Gericht ihr ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist. Das Verfahren wird in die Lage zurückversetzt, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand (§ 321a V). Die Anhörungsrüge dient grds allein der Behebung von Verstößen gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör. Ob die Vorschrift des § 321a analog auf andere Fälle der Verletzung von Verfahrensgrundrechten angewandt werden kann, ist str (offengelassen von BGH NJW 06, 1978 f [BGH 19.01.2006 - I ZR 151/02]), wegen des Ausnahmecharakters der Vorschrift aber eher zu verneinen (BFH NJW 06, 861). In einem Ausnahmefall der mit einem drohenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht verbundenen Verletzung rechtlichen Gehörs hat der BGH die sofortige Beschwerde gegen eine an sich unanfechtbare Zwischenentscheidung für zulässig erachtet (BGH MDR 09, 1184 ff Rz 8 zur Einholung eines Gutachtens über die Prozessfähigkeit einer Partei ohne deren vorherige persönliche Anhörung; ebenso BGHZ 171, 326 Rz 17 = NJW 07, 3575 hins der richterlichen Anordnung der psychiatrischen Untersuchung nach § 68b III 2 FGG aF). Gegen Durchsuchungsanordnungen ohne gesetzliche Grundlage hat der BGH ebenfalls eine im Gesetz nicht vorgesehene sofortige Beschwerde zugelassen (BGHZ 158, 212, 216 f = NJW 04, 2015; BGH NJW 09, 2053 Rz 9).
3. Gegenvorstellung.
Rn 6
Die nicht fristgebundene (aA Dresd NJW 06, 851, das § 321a II 2 analog anwendet) Gegenvorstellung ist gesetzlich nicht geregelt. Sie stellt eine Anregung an das Gericht dar, eine für die Partei unanfechtbare Entscheidung zu ändern (BGH NJW 18, 3388 Rz 9). Deshalb kommt sie nur dann in Betracht, wenn das Gericht zu einer Änderung seiner Entscheidung befugt ist und diese auch vAw vornehmen darf (BGH WM 18, 1900 Rz 9; BGHZ 220, 90 Rz 13 = WM 18, 2144; BGH NJW 18, 3388 Rz 9). Ein typischer Anwendungsfall ist das PKH-Bewilligungsverfahren vor Abschluss der Instanz. Der BFH (NJW 08, 543 [BFH 26.09.2007 - V S 10/07]) hat die Statthaftigkeit der Gegenvorstellung zeitweilig in Zweifel gezogen, hat die Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes jedoch wieder zurückgenommen (NJW 09, 3053 [BFH 01.07.2009 - V S 10/07]), nachdem das BVerfG entschieden hat, die Gegenvorstellung genüge zwar nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Rechtsmittelklarheit, ihre Behandlung als statthaft beeinträchtige die Interessen der Rechtsuchenden jedoch nicht (BVerfG NJW 09, 829 [BVerfG 25.11.2008 - 1 BvR 848/07]). Unzulässig ist eine Gegenvorstellung gegen Entscheidungen, an die das Gericht entsprechend § 318 gebunden ist (BGH NJW 18, 3388 Rz 9 f; BGHZ 220, 90 Rz 13 = WM 18, 2144). Die Entscheidung über die Gegenvorstellung ist unanfechtbar. Die Gegen...