Gesetzestext
1Das Beschwerdegericht entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. 2Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Beschwerdegericht zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung, wenn
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die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder |
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. |
3Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.
A. Bedeutung der Norm und Gesetzgebungshinweise.
Rn 1
Der originäre Einzelrichter im Beschwerdeverfahren wurde durch das ZPO-Reformgesetz eingeführt. Bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.1.02 waren Einzelrichterentscheidungen im Beschwerdeverfahren nicht vorgesehen. Nach der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs steht der personelle Aufwand in einer voll besetzten Beschwerdekammer außer Verhältnis zur Bedeutung der typischen Beschwerdeverfahren; in Eilverfahren (Beschwerden in Räumungs- und Zwangsvollstreckungssachen sowie im einstweiligen Rechtsschutz) könne der Einzelrichter zudem schneller entscheiden als die vollbesetzte Kammer (BTDrs 14/4722, 111). In den Fällen des § 568 nF entscheidet daher nunmehr der Einzelrichter, ohne dass zuvor eine Entscheidung der Kammer über die Übertragung auf den Einzelrichter erforderlich wäre (vgl BTDrs 14/4722, 111). Die Vorschrift gilt für jegliche Beschwerdeverfahren nach der ZPO sowie nach denjenigen Gesetzen, die auf die ZPO verweisen.
B. Entscheidung eines Einzelrichters oder Rechtspflegers (S 1).
Rn 2
Der originäre Einzelrichter ist dann zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde berufen, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter (des Amts- oder des Landgerichts, vgl § 567 I) oder einem Rechtspfleger (§ 11 RPflG) erlassen worden ist (S 1). Kollegialentscheidungen werden nach wie vor von einem kollegialen Spruchkörper des Beschwerdegerichts überprüft; eine Übertragung auf den Einzelrichter ist insoweit nicht vorgesehen. Der Regierungsentwurf fürchtete unzumutbare Verzögerungen der idR einfach gestalteten Beschwerdeverfahren ebenso wie den Akzeptanzverlust, den die Aufhebung einer Kollegialentscheidung durch den Einzelrichter mit sich bringen kann (BTDrs 14/4722, 111). Einzelrichter des Landgerichts ist der originäre Einzelrichter gem § 348 und der obligatorische Einzelrichter nach § 348a, nicht jedoch, wie sich aus §§ 349 IV, 350 ergibt, der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen (BGHZ 156, 320, 325 = NJW 04, 856, 857). Ebenfalls nicht unter § 568 fällt die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der Vollstreckungsklausel gem. § 3 III AVAG (Nürnbg OLGR 04, 182). Auch ein Proberichter im ersten Jahr kann Einzelrichter sein. § 348 I 2 Nr 1 ist nicht entsprechend anwendbar (BGH NJW 03, 1875, 1876 [BGH 11.02.2003 - VIII ZB 56/02]; BVerfG NJW-RR 10, 268 [BVerfG 02.06.2009 - 1 BvR 2295/08] Rz 16). Hat der Rechtspfleger oder der Einzelrichter die Ausgangsentscheidung, die Entscheidung über die Abhilfe aber das Kollegium getroffen, gilt § 568 S 1 nicht; denn eine erstinstanzliche Kollegialentscheidung soll stets von einem kollegialen Spruchkörper des Beschwerdegerichts überprüft werden (Schlesw OLGR 04, 435; Saarbr OLGR 07, 372; KG BauR 10, 1099; München NJW-RR 13, 441; aA Ddorf MDR 03, 230; Frankf OLGR 04, 115, weil die Nichtabhilfe keine neue selbstständige Beschwer der Verfahrensbeteiligten zur Folge habe).
C. Übertragung auf die Kammer (S 2).
Rn 3
Der originäre Einzelrichter hat das Verfahren auf die Kammer zu übertragen, wenn der Fall besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten aufweist oder Fragen von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (S 2). Der Begriff der grundsätzlichen Bedeutung umfasst neben der grundsätzlichen Bedeutung im engeren Sinn auch die in § 574 II weiter genannten Fälle der Rechtsfortbildung und der Sicherung einer einheitlichen Rspr einschließlich der sog Innendivergenz, dh der Fälle, in denen innerhalb eines Spruchkörpers unterschiedliche Auffassungen über die Beurteilung der Sach- oder Rechtslage bestehen (BGHZ 235, 93 = WM 23, 1342 Rz 13). Wie sich aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt (›überträgt‹), steht dem Einzelrichter kein Ermessen zu. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, hat eine Übertragung zu erfolgen. Eine Bindung an übereinstimmende Anträge der Parteien sieht das Gesetz (anders als in §§ 348 II Nr 2, 526 II Nr 2) nicht vor. Der Einzelrichter hat die Voraussetzungen des Satzes 2 vAw zu prüfen. Seine Entscheidung ergeht durch Beschl (BGH WM 21, 1604 Rz 18 f). Auf den Zugang bei den Parteien kommt es nicht an (BGH WM 19, 1982 Rz 10; WM 21, 1604 Rz 19). Sowohl die Übertragungsentscheidung nach S 2 als auch ein fehlerhaftes Unterlassen der Übertragung sind unanfechtbar. Die Kammer ist nicht befugt, selbst über die Übertragung zu entscheiden (BGH WM 17, 2035 Rz 11; BGHZ 220, 90 Rz 11 = WM 18, 2144; NJW 19, 935 Rz 10; WM 19, 1026 Rz 30; NJW 20, 3376 Rz 24; BVerfG WM 23, 1181 Rz 52).
D. Rechtsmittel (S 3).
Rn 4
Auf die erfolgte oder unterbliebene Übertragung auf die Kammer kann ein Rechtsmittel nicht gestütz...