I. Prüfung der Ausgangsentscheidung.
Rn 2
Das Ausgangsgericht (Richter, Kammer oder Rechtspfleger) hat die Zulässigkeit und die Begründetheit der sofortigen Beschwerde zu prüfen. Dabei hat es sich mit etwaigem neuen Vorbringen der Beschwerdebegründung (vgl § 571 II 1) auseinanderzusetzen. Erforderlichenfalls ist sogar Beweis zu erheben (BTDrs 14/4722, 115). Bis dahin fehlerhaft übergangenes tatsächliches Vorbringen im Ausgangsverfahren ist erst recht zu berücksichtigen. Begnügt sich das Ausgangsgericht mit einem Formularbeschluss, obwohl die Beschwerde erhebliches Vorbringen enthält, liegt darin nach ständiger obergerichtlicher Rspr ein schwerer Verfahrensfehler, welcher die Zurückverweisung der Sache an das Ausgangsgericht rechtfertigt (Frankf OLGR 04, 116; Jena OLGR 05, 203; Ddorf FamRZ 06, 1551). Der Verpflichtung, die Beschwerdebegründung zur Kenntnis zu nehmen und sie zu würdigen, darf sich das Ausgangsgericht nicht dadurch entziehen, dass es eine zunächst vom Beschwerdeführer nicht begründete sofortige Beschwerde trotz Ankündigung einer Begründung ohne weiteres Zuwarten dem Beschwerdegericht vorlegt (Kobl FamRZ 08, 288 f). Ob eine ohne Begründung eingereichte Beschwerde nur dann nicht sofort vorgelegt werden kann, wenn der Beschwerdeführer eine Begründung ankündigt oder sogar um Gewährung einer Begründungsfrist bittet, oder ob mindestens der Ablauf der Beschwerdefrist abgewartet werden muss, wird unterschiedlich gesehen (Kobl FamRZ 08, 288 einerseits, Naumbg OLGR 06, 327 andererseits; vgl auch Ddorf MDR 14, 1410: Wenn der Beschwerdeführer eine Begründung ankündigt, darf nicht vorgelegt werden, ohne zuvor eine Begründungsfrist zu setzen oder mitzuteilen, dass demnächst entschieden werde). Ein neuer Antrag oder Hilfsantrag ist im Abhilfeverfahren nicht zu berücksichtigen, weil eine zu überprüfende Ausgangsentscheidung fehlt; über den neuen Antrag hat vielmehr allein das Beschwerdegericht zu entscheiden (BGH NZI 07, 166, 167 [BGH 21.12.2006 - IX ZB 81/06] Rz 20; s.u.). Vor einer Abhilfeentscheidung ist dem Gegner rechtliches Gehör zu gewähren. Wegen der hierfür erforderlichen Zeit hat der Gesetzgeber die Wochenfrist des § 571 Hs 2 aF, innerhalb derer die Sache dem Beschwerdegericht vorgelegt werden musste, durch das Wort ›unverzüglich‹ ersetzt (BTDrs 14/47722, 115).
II. Abhilfe.
Rn 3
Die Entscheidung darüber, der sofortigen Beschwerde abzuhelfen, ergeht durch Beschl. Hilft das Ausgangsgerichts (vollständig) ab, kann diese Entscheidung vom Beschwerdegegner angefochten werden. Es gelten die allgemeinen Vorschriften (§§ 567 ff). Der Abhilfebeschluss muss daher begründet und dem Beschwerdegegner förmlich zugestellt werden (§ 329 III). Nicht jeder Abhilfebeschluss ist jedoch anfechtbar. War die Ausgangsentscheidung nur für den Beschwerdeführer anfechtbar, nicht aber für den Beschwerdegegner, gilt gleiches auch für die Abhilfeentscheidung. Streitig ist, ob das Ausgangsgericht auch dann abhelfen darf, wenn die sofortige Beschwerde unzulässig ist. Nach dem Wortlaut des Gesetzes (Abs 1 S 1) kommt es nur auf die Begründetheit an (Frankf NJW-RR 03, 140, 141; Musielak/Voit/Ball Rz 4). Teilweise wird weitergehend verlangt, dass die sofortige Beschwerde statthaft ist (ThoPu/Reichold Rz 2, 7). In jedem Fall scheidet eine Abhilfe dann aus, wenn das Ausgangsgericht an seine Entscheidung gebunden (§ 318; vgl I 2) oder wenn die Entscheidung in materieller Rechtskraft erwachsen ist (AG Düsseldorf NZI 16, 1009, 1010 [AG Düsseldorf 09.09.2016 - 513 IK 44/11]; HK-ZPO/Koch Rz 3). Kann das Ausgangsgericht den gerügten Mangel seiner Entscheidung dagegen vAw beseitigen, kann es dies auch auf eine unzulässige Beschwerde hin tun (BGH NJW-RR 06, 1554 [BGH 13.07.2006 - IX ZB 117/04]; MüKoZPO/Hamdorf § 572 Rz 7). Hilft das Ausgangsgericht nur tw ab, ist die Sache dem Beschwerdegericht vorzulegen; dem durch die tw Abhilfe erstmals beschwerten Beschwerdegegner kann entsprechend § 567 die sofortige Beschwerde gegen den abhelfenden Teil der Entscheidung zustehen. Beschwerdegegenstand ist dann der erstinstanzliche Beschluss in der Form, den er im Abhilfeverfahren erhalten hat (BGH MDR 20, 1527 [BGH 26.08.2020 - XII ZB 243/19] Rz 12; NJW 21, 553 [BGH 07.10.2020 - BLw 1/19] Rz 6). Gegen nach den allgemeinen Vorschriften unanfechtbare Abhilfeentscheidungen des Rechtspflegers steht dem Gegner die Rechtspflegererinnerung nach § 11 II RPflG zu, über welche der Richter zu befinden hat. Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist § 572 I 1 Hs 1 nicht entspr anwendbar (BTDrs 14/4722, S. 117; vgl BGHZ 220, 90 Rz 14 = WM 18, 2144).
III. Nichtabhilfe.
Rn 4
Die Entscheidung, der sofortigen Beschwerde nicht abzuhelfen, ergeht ebenfalls durch Beschl, der grds zu begründen ist. Eine Verweisung auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses kann ausreichen, wenn die Beschwerde ihrerseits nicht begründet worden ist oder sich in Wiederholungen des erstinstanzlichen Vorbringens erschöpft. Der Beschl über die Nichtabhilfe ist den Parteien mitzuteilen. Der Nichtabhilfebeschluss ist nicht selbständig anfechtbar (BGH ZIP 09, 289, 290 Rz 8; Ce...