Prof. Dr. Caroline Meller-Hannich
I. Zulässigkeit und Begründetheit der Restitutionsklage.
Rn 2
Im Rahmen der dreistufigen Prüfung bei der Wiederaufnahme (s vor §§ 578 ff Rn 3) weist § 580 auf die Zulässigkeitsvoraussetzung der schlüssigen Behauptung des Restitutionsgrundes (s § 579 Rn 18, 20) hin. Dazu gehört auch die Behauptung zur Kausalität, also zum Beruhen des Urteils auf dem Restitutionsgrund, was bereits dann der Fall ist, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Urt ohne den Restitutionsgrund einen anderen – nicht unbedingt für den Restitutionskläger günstigeren – Inhalt aufweisen würde (Musielak/Voit/Musielak § 580 Rz 3). Hierfür wiederum genügt es, wenn das Urt auf einem Tatsachenstoff oder rechtlichen Wertungen beruht, die von dem Restitutionsgrund ergriffen sind (R/S/G § 161 Rz 10). Zur Bedeutung für die einzelnen Restitutionsgründe s jew ebd.
Für die Statthaftigkeit setzt § 581 I zudem in den Fällen von § 580 Nr 1–5 zusätzlich die rechtskräftige Verurteilung wegen des Restitutionsgrundes voraus, wobei es allein auf das ›ob‹ der Verurteilung, nicht auf deren inhaltliche Richtigkeit ankommt (Gaul FS Matsumoto, 715, 752 ff). § 582 regelt die Statthaftigkeitsvoraussetzung der Subsidiarität jeder Restitutionsklage ggü der Einlegung von Rechtsmitteln, was zum Tragen kommt, wenn der Grund bei hinreichender Sorgfalt schon im Vorprozess hätte geltend gemacht werden können. Eines (sonstigen) besonderen Rechtsschutzbedürfnisses bedarf es nicht (Ddorf GRUR-RR 20, 414). Es besteht allerdings kein Rechtsschutzbedürfnis für eine isolierte Restitutionsklage nur gegen ein erstinstanzliches Urteil, wenn in der Sache auch ein rechtskräftiges Berufungsurteil ergangen ist (LSG Baden-Württemberg BeckRS 23, 16163). Hier scheitert freilich die Klage schon an der Statthaftigkeit.
Rn 3
Begründet ist die Restitutionsklage, wenn ein Restitutionsgrund tatsächlich vorliegt, so dass es zur Neuverhandlung kommt. Umstritten ist dabei, ob es in den Fällen von Nr 1–5 für die Begründetheit auf die Verurteilung (§ 581) oder die Straftat ankommt, wobei davon auch abhängt, ob das Restitutionsgericht die Straftat selbstständig prüfen darf. Dabei besteht nach der heute wohl hM keine inhaltliche Bindung an das Strafurteil, so dass die Straftat im iudicium rescindens selbstständig zu prüfen ist (BGHZ 85, 32, 35 ff; BGH NJW-RR 06, 1573, 1574; aA Gaul FS Matsumoto, 715, 752 ff mwN). Bei der Neuverhandlung ist der Richter jedenfalls frei in der Beurteilung, ob die Straftat begangen wurde. Daraus, dass das Zivilgericht nicht inhaltlich an das Ergebnis des Strafverfahrens gebunden ist, folgt freilich nicht, dass die Wiederaufnahme auch ohne rechtskräftiges Strafurteil Erfolg haben kann (s Rn 5).
Im wiederaufgenommenen Verfahren ist schließlich zu prüfen, wie der Rechtsstreit inhaltlich zu entscheiden ist, nachdem der die Urteilsgrundlage verfälschende Restitutionsgrund beseitigt ist.
II. Restitutionsgründe.
Rn 4
Die einzelnen Restitutionsgründe greifen verschiedenartige Erschütterungen der Urteilsgrundlagen auf: Nr 1–5 die strafbare Verfälschung der Urteilsgrundlagen, Nr 6 und 8 deren späteren Wegfall und Nr 7 deren nunmehr mögliche Vervollständigung (vgl R/S/G § 161 Rz 12).
Einen weiteren Restitutionsgrund nennt § 185 FamFG. Zur Zulässigkeit, Begründetheit und Verfassungsmäßigkeit dieses Restitutionsgrundes s BGH NJW 03, 3708; Stößer FamRZ 09, 923, 930.
1. Nr 1, Strafbare Falschaussage des Gegners.
Rn 5
Es geht dabei um unrichtige nach § 452 beeidigte oder nach § 484 bekräftigte Parteiaussagen des Gegners des Restitutionsklägers iRd Parteivernehmung nach §§ 445 ff. Erfasst sind der Meineid nach § 154 StGB und die falsche eidesgleiche Bekräftigung nach § 155 StGB sowie deren fahrlässige Begehung nach § 161 StGB. Nicht erfasst sind aber falsche Versicherungen an Eides statt nach § 156 StGB sowie unrichtiger Parteivortrag. Beides kann jedoch einen Restitutionsgrund nach Nr 4 darstellen.
Das Urt im Vorprozess muss auf der falschen eidlichen Aussage beruhen. Dafür genügt es, dass die Kausalität des Restitutionsgrundes für das Urt nicht ausgeschlossen werden kann. Dies ist schon der Fall, wenn die Aussage zwar nur in einem für die Entscheidung nicht wesentlichen Punkt unrichtig ist, das Urt aber auf der gesamten Aussage beruht, da dies das Vertrauen in deren Wahrheitsgehalt allgemein erschüttert (R/S/G § 161 Rz 14, 16). Unrichtige Teile der Aussage oder Unrichtigkeit in Nebenpunkten genügen also (Musielak/Voit/Musielak § 580 Rz 8). Nicht notwendig für die Kausalität ist zudem, dass der Eid im wiederaufzunehmenden Verfahren vorgenommen wurde; auch ein anderes, insb ein präjudizielles Verfahren, kommt in Betracht.
Die Restitutionsklage findet im Fall der Nr 1 nur statt, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist, oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann, § 581 I. Vom Erfordernis der strafgerichtlichen Verurteilung kann auch nicht abgesehen werden (BGHZ 85, 32; NJW-RR 06, 1573; aA Hamm FamRZ 17, 1127; Braun, Rechtskraft und Restitution, Teil 2, [85], S 120–132; MüKoZPO/Braun/Heiß § 581 Rz 1...