Prof. Dr. Caroline Meller-Hannich
1. Erste Instanz.
Rn 3
Das erstinstanzliche Gericht entscheidet über Wiederaufnahmeklagen gegen seine Urteile. Hat nur eine Instanz entschieden, ist diese also für die Wiederaufnahmeklage immer zuständig (vgl BFH/NV 11, 445 [BFH 08.12.2010 - IX R 12/10]). Bei einem Verfahren über mehrere Instanzen gilt folgende Unterscheidung:
2. Berufungsinstanz.
Rn 4
Das Berufungsgericht entscheidet, wenn das angefochtene Urt von dem Berufungsgericht erlassen wurde. Wird die Berufung aber als unzulässig verworfen, wird die erstinstanzliche Entscheidung gerade nicht ersetzt, so dass über die Wiederaufnahmeklage gegen das Sachurteil dem allgemeinen Grundsatz (Rn 1) entsprechend vom erstinstanzlichen Gericht zu entscheiden ist (vgl BSG v 24.3.88 – 5/5b RJ 92/86 – nv; Bay LSG v 18.3.15 – L 11 AS 91/15 WA – nv). Richtet sich allerdings die Wiederaufnahmeklage gegen die verwerfende Entscheidung selbst, ist das Berufungsgericht zuständig (ThoPu/Seiler § 584 Rz 2). Wenn beide Entscheidungen, also das Sachurteil erster Instanz und die verwerfende Entscheidung 2. Instanz, angegriffen werden, können zwei parallele Wiederaufnahmeklagen eingereicht werden (R/S/G § 162 Rz 5). Hat das erstinstanzliche Gericht nur über einen von mehreren Klagegründen entschieden, das Berufungsgericht aber über die Klage insgesamt, ist für die Wiederaufnahmeklage dennoch das Berufungsgericht insgesamt zuständig, wenn mit der Wiederaufnahmeklage ein beide Urteile betreffender Restitutionsgrund geltend gemacht wird (BGH NJW 59, 1918).
Rn 5
Das Berufungsgericht entscheidet außerdem über die Wiederaufnahme gegen Urteile, die in der Revisionsinstanz erlassen wurden, wenn die Restitutionsgründe des § 580 Nr 1–3, 6, 7 geltend gemacht werden. Seinen Grund findet diese Einbeziehung von Revisionsurteilen in die Zuständigkeit des Berufungsgerichts darin, dass diese Restitutionsgründe sich auf tatsächliche Feststellungen (s Rn 1) beziehen. Aus dieser teleologischen Erwägung ist das Berufungsgericht entgegen dem Wortlaut auch zuständig, falls ein Restitutionsgrund nach § 584 Nr 4 oder 5 geltend gemacht wird, soweit mit einer solchen Wiederaufnahmeklage tatsächliche Feststellungen des Berufungsgerichts angegriffen werden (BGHZ 61, 95). Werden mehrere unterschiedliche Restitutionsgründe geltend gemacht, von denen sich nur einige auf tatsächliche Feststellungen beziehen, ist insgesamt das Berufungsgericht zuständig (Musielak/Voit/Musielak § 584 Rz 7).
3. Revisionsinstanz.
Rn 6
Das Revisionsgericht entscheidet über Wiederaufnahmeklagen gegen sonstige Urteile in der Revisionsinstanz, also über diejenigen, gegen die ein Nichtigkeitsgrund nach § 579 oder ein Restitutionsgrund nach § 580 Nr 4 oder 5 geltend gemacht wird. Damit wird gewährleistet, dass das Revisionsgericht über die seiner eigenen Entscheidung anhaftenden Wiederaufnahmegründe entscheidet (vgl BVerwG BayVBL 17, 713). Die Zuständigkeit des Revisionsgerichts gilt aber auch dann, wenn derselbe Wiederaufnahmegrund auch den vorinstanzlichen Urteilen anhaftet (BGH WM 80, 1350; anders noch BGHZ 61, 95), obwohl der Wortlaut von Abs 1 Hs 2 eher für eine Zuständigkeit des Berufungsgerichts spricht. Zu Recht (s Rn 1, 5) wird der Wortlaut auch erweitert auf die Restitutionsgründe nach Nr 1–3, 6 und 7, falls das Revisionsgericht selbst tatsächliche Feststellungen getroffen hat und diese durch die Wiederaufnahmeklage angegriffen werden (BGHZ 62, 18).
4. § 580 Nr 8.
Rn 7
Hat nur eine Instanz entschieden, ist diese immer für die Wiederaufnahmeklage zuständig. Wird ein zweitinstanzliches Urt, das die erstinstanzliche Entscheidung ersetzt, angegriffen, entscheidet immer das Berufungsgericht. Eine Regelung zur Zuständigkeit für die Anfechtung von in der Revisionsinstanz erlassenen Urteilen im Falle von § 580 Nr 8 fehlt jedoch.
Dieser Restitutionsgrund entspricht am ehesten der Kategorie des 584 Abs 1, Hs 2, also den Restitutionsgründen des § 580 Nr. 1–3, 6, 7. Entsprechend der obigen (Rn 5, 6) Systematik sollte deshalb wie folgt differenziert werden: Richtet sich die Wiederaufnahmeklage gegen ein Revisionsurteil, ist das Revisionsgericht nur zuständig, wenn ein Fall von § 580 Nr 4 oder 5 vorliegt (BGH FamRZ 18, 1013 mwN), oder das Revisionsgericht ausnahmsweise eigene tatsächliche Feststellungen getroffen hat (Zö/Greger § 584 Rz 3). IdR ist demnach im Falle des Restitutionsgrundes des § 580 Nr 8 das Berufungsgericht zuständig (BGH FamRZ 18, 1013).