I. Zweck.
Rn 1
Der Urkundenprozess ist eine besondere Verfahrensart, deren Zweck darin besteht, dem Kl den raschen Erhalt eines vollstreckbaren Titels zu ermöglichen. Dazu sieht das Gesetz nicht eine weitere Beschleunigung des Verfahrens – außer bei der Unterart des Wechsel- und Scheckprozesses, § 604 II – und auch keine Reduzierung des Beweismaßes vor, sondern eine Beschränkung der Beweisführung. Einerseits muss der Kl alle anspruchsbegründenden Tatsachen durch Urkunden beweisen (§ 592 S 1). Andererseits kann dann der Bekl Beweis für seine Einwendungen nur durch Urkunden oder durch Parteivernehmung führen (§§ 595 II, 598). Außerdem ist die Widerklage ausgeschlossen (§ 595 I).
II. Vorläufigkeit.
Rn 2
Wegen dieser Beschränkung der Verteidigung des Bekl darf dessen Verurteilung, wenn er dem Anspruch widersprochen hat, freilich nur eine vorläufige sein. Ihm ist die Ausführung seiner Rechte vorzubehalten, der Rechtsstreit bleibt im Nachverfahren als ordentlichem Verfahren anhängig (§§ 599, 600). Umgekehrt wird auch die Klage nicht endgültig, sondern nur als in der gewählten Prozessart unstatthaft abgewiesen, wenn der Kl den erforderlichen Beweis mit den beschränkten Beweismitteln des Urkundenprozesses nicht führen kann (§ 597 II).
Rn 3
Das Urt im Urkundenprozess ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar (§ 708 Nr 4). Dem Bekl stehen aber die Abwendungsbefugnis gem § 711, ein Einstellungsantrag (§§ 707, 719) und ggf ein Schutzantrag nach § 712 offen. Deshalb und wegen der bloßen Vorläufigkeit des Vorbehaltsurteils sind die tw geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken aus Art 103 I GG (etwa Zö/Greger Vor § 592 Rz 1; Musielak/Voit/Voit § 592 Rz 1) nicht berechtigt. Soweit das Vorbehaltsurteil, aus dem vollstreckt worden ist, im Nachverfahren aufgehoben wird, hat der Bekl Anspruch auf Ersatz seines Vollstreckungsschadens (§§ 600 II, 302 IV 3).
III. Allgemeine Verfahrensvorschriften.
Rn 4
Die allgemeinen Verfahrensvorschriften sind durchweg auch im Urkundenprozess anwendbar. Wegen Unvereinbarkeit mit dem Zweck des Urkundenprozesses, dem Kl schnell einen vollstreckbaren Titel zu verschaffen, gilt dies allerdings regelmäßig nicht für die Aussetzung des Verfahrens nach § 148, außer bei Aufrechnung mit einer Forderung, mit der auch in einem anderen Verfahren die Aufrechnung erklärt wurde (BGH WM 04, 2324, 2325; vgl § 148 Rn 3). Streitverkündung und Nebenintervention sind möglich. Die Einrede des Schiedsvertrags kann zwar grds nicht im Wechselprozess, wo sie erst im Nachverfahren erheblich ist (BGH NJW 94, 136), wohl aber im gewöhnlichen Urkundenprozess erhoben werden (BGHZ 165, 376, 380 ff). Im Gegensatz zur Widerklage (§ 595 I) ist die Aufrechnung zulässig; freilich unterliegt sie der Beweismittelbeschränkung des § 595 II. Soweit ein Einigungsversuch vor einer Gütestelle vorgeschrieben ist, gilt dies nicht für den Urkundenprozess (§ 15a II Nr 4 EGZPO). Eine vertragliche Verpflichtung, nicht im Urkundenprozess zu klagen, führt bei entsprechender Einrede des Bekl zur Abweisung der Klage als im Urkundenprozess unstatthaft (BGHZ 109, 19, 29; 148, 283, 285).