I. Anspruchsbegründende Tatsachen.
Rn 11
Die Statthaftigkeit des Urkundenprozesses setzt gem § 592 S 1 weiter voraus, dass alle anspruchsbegründenden Tatsachen durch Urkunden bewiesen werden können. Das Erfordernis erstreckt sich (außer beim Wechselprozess, § 605 II) auch auf die Nebenforderungen. Durch Urkunden zu beweisen sind die Tatbestandsvoraussetzungen der Anspruchsnorm, für die der Kl die Beweislast trägt. Bei der Bürgschaftsklage etwa gilt dies neben der Bürgschaft auch für die Entstehung der Hauptforderung und deren Fälligkeit, außer wenn es sich um eine Bürgschaft auf erstes Anfordern handelt (dazu BGH NJW 94, 380 [BGH 28.10.1993 - IX ZR 141/93]). Bei einer Klage aus abgetretenem Recht muss auch die Abtretung urkundlich belegbar sein, ebenso beim Geschäftsabschluss durch einen Vertreter für den Bekl dessen Vertretungsmacht und bei besonderen Fälligkeitsvoraussetzungen wie Kündigung oder Fristablauf deren Vorliegen. Bei Bereicherungsansprüchen ändert der Urkundenprozess nichts an der Geltung der Saldotheorie. Darzulegen hat der Kl daher den nach Saldierung der beiderseitigen Ansprüche verbleibenden Überschuss (BGHZ 173, 145 Rz 24). Da freilich die Beweislast für eine Minderung des Saldos beim Bereicherungsschuldner verbleibt (BGHZ 173, 145 Rz 25; NJW 99, 1181 [BGH 10.02.1999 - VIII ZR 314/97]), kann die Statthaftigkeit des Urkundenprozesses nicht davon abhängen, dass der Kl die Höhe der Abzugsposten urkundlich belegt. Für die Einwendungen des Bekl sowie deren Widerlegung durch den Kl ist auch Antrag auf Parteivernehmung zulässig (§ 595 II).
II. Ausnahmen.
Rn 12
Zugestandene, unstreitige oder offenkundige Tatsachen bedürfen nach der gefestigten Rspr auch im Urkundenprozess keines (Urkunden-)Beweises (BGHZ 62, 286, 289 ff; 173, 366 Rz 13; BGH NJW 15, 475 [BGH 22.10.2014 - VIII ZR 41/14], Rz 14, 15). Dem ist trotz verbreiteter Kritik in der Lehre (ua Stürner NJW 72, 1257; MüKoZPO/Braun/Heiß § 592 Rz 26 ff; Leidig/Jöbges NJW 14, 892; auch Koch JR 16, 159) und in neuerer obergerichtlicher Rspr (München ZIP 12, 178; Schleswig NJW 14, 945; dagegen aber Ddorf BauR 17, 147) zuzustimmen. Der gegenteilige Wille des historischen Gesetzgebers hat in den §§ 592, 597 II nur einen unvollkommenen und widersprüchlichen Ausdruck gefunden. Auch die ratio des Urkundenprozesses, die auf der schnelleren Verfügbarkeit und dem größeren Beweiswert von Urkunden beruht, steht der hM nicht entgegen; der Urkundenbeweis hat keinen höheren Verlässlichkeitswert als Geständnis und Nichtbestreiten. Der im Urkundenprozess Bekl, der die anspruchsbegründenden Tatsachen nicht bestreiten kann oder will, ist auch nicht schutzbedürftiger, wenn der Kl jene unstreitigen Tatsachen nicht durch Urkunden belegt; außerdem hat er dann die Möglichkeit, durch eigene Säumnis eine Abweisung der Klage als im Urkundenprozess unstatthaft zu erreichen, § 597 II. Inkonsequent ist es deshalb, unstreitige, zugestandene oder offenkundige Tatsachen nur zur Ausfüllung von Lücken im Urkundenbeweis als nicht beweisbedürftig anzusehen (so aber etwa BGHZ 62, 286, 292; Musielak/Voit/Voit § 592 Rz 11) und mindestens eine Urkunde (Frankf WM 95, 2079, 2081 [OLG Frankfurt am Main 31.08.1995 - 16 U 111/94]; Köln MDR 14, 1022) bzw die Möglichkeit zu fordern, dass der Kl den Urkundenbeweis führen kann (München Info M 2012, 86 [OLG München 23.12.2011 - 7 U 3385/11]). Vielmehr ist auch der – reichlich theoretische – Fall denkbar, dass der Bekl nach streitiger Verhandlung im Urkundenprozess verurteilt wird, ohne dass eine Urkunde vorgelegt wurde (Jena MDR 97, 975; St/J/Berger § 597 Rz 12; aA München ZIP 12, 178; Schleswig NJW 14, 945; Köln MDR 14, 1022). Erst recht gilt das natürlich für ein Anerkenntnis(vorbehalts)urteil (dazu § 599 Rn 3).
III. Sonstige Klagegrundlagen.
Rn 13
Für die Prozessvoraussetzungen, auch soweit sie nicht vAw, sondern nur auf Einrede des Bekl geprüft werden (zB § 1032 I), gelten die Beweismittelbeschränkungen der §§ 592, 595 II nicht (BGH NJW 86, 2765 [BGH 11.07.1985 - III ZR 33/84]), ebensowenig für die Ermittlung ausländischen Rechts, die sich allein nach § 293 richtet (BGH MDR 97, 879 [BGH 13.05.1997 - IX ZR 292/96]).
IV. Beweisführung.
1. Urkunden.
Rn 14
Beweisgeeignete Urkunden sind alle Schriftstücke iSd §§ 415 ff, also auch (Tele)Kopien. Elektronische Dokumente sind keine Urkunden, sondern Augenscheinsobjekte (§§ 371 I 2, 371a); ihr Ausdruck stellt aber eine Urkunde und damit ein zulässiges Beweismittel dar (München Prozessrecht aktiv 12, 87; Musielak/Voit/Voit § 592 Rz 12; St/J/Berger § 592 Rz 22). Das Gesetz verlangt nicht, dass der Schuldner an der Errichtung der Urkunde mitgewirkt hat (RGZ 142, 303, 306; Wieczorek/Schütze/Olzen § 592 Rz 8). Die diesbzgl in der Literatur geäußerten, insb aus Art 103 I GG abgeleiteten Bedenken (ua Musielak/Voit/Voit § 592 Rz 12) sind auch de lege ferenda nicht berechtigt (vgl Rn 3).
Rn 15
Schriftstücke, die lediglich einen Beweis durch Augenschein, Zeugen oder Sachverständige ersetzen sollen, stellen nach dem Sinn und Zweck des Urkundenprozesses hingegen keine beweistauglichen Urkunden dar (BGHZ 1, 218, 220 f; 173, 366 Rz 1...