Prof. Dr. Markus Gehrlein
a) Grundsatz notwendiger Streitgenossenschaft.
Rn 12
Ist Kl eine nicht rechts- und parteifähige Gesamthandsgemeinschaft, müssen die Teilhaber als notwendige Streitgenossen gemeinsam auf Leistung klagen. Dies gilt für die Gesellschafter einer nicht parteifähigen Innen-GbR (BGHZ 146, 341, 348 = NJW 01, 1056), sofern nicht ausnahmsweise eine Gesellschafterklage (actio pro socio) in Betracht kommt, die gemeinsam verwaltenden Ehegatten einer Gütergemeinschaft (BGH NJW 94, 652 f [BGH 07.12.1993 - VI ZR 152/92]) und für mehrere Testamentsvollstrecker eines Nachlasses (Hambg MDR 78, 1031). Die Mitglieder einer nicht rechtsfähigen Bruchteilsgemeinschaft (§ 744 BGB) sind bei Geltendmachung einer Forderung gegen einen Dritten ebenfalls notwendige Streitgenossen. Mehrere Bewerber sind bei geschlechtsbedingter Benachteiligung im Fall von § 61b III ArbGG, mehrere Miterben iRd § 2039 BGB und mehrere Anwälte bei Geltendmachung einer gemeinsamen Honorarforderung (BGH NJW 96, 2859 [BGH 20.06.1996 - IX ZR 248/95]) notwendige Streitgenossen. Bei der Erhebung von Ansprüchen einer Außen-GbR liegt keine notwendige Streitgenossenschaft der Gesellschafter vor, weil die GbR selbst parteifähig ist (BGHZ 146, 341 = NJW 01, 1056; 11, 683 Rz 13). Nichts anderes gilt für Wohnungseigentümer bei Klagen einer Wohnungseigentümergemeinschaft hinsichtlich der das Verwaltungsvermögen betreffenden Forderungen und Verbindlichkeiten (BGHZ 163, 154, 166 f = NJW 05, 2061). In beiden Fällen wäre eine Klage durch einen bzw mehrere Gesellschafter/Wohnungseigentümer im Wege einer gewillkürten Prozessstandschaft denkbar, die jedenfalls keine notwendige Streitgenossenschaft darstellt, weil auch eine Einzelermächtigung möglich ist (BGH NJW-RR 02, 1377 f). Wurde der Antrag für alle Teilhaber gestellt, einer von ihnen aber versehentlich in der Klageschrift nicht genannt, kann das Rubrum ohne Rechtsnachteil entsprechend berichtigt werden (BGH NJW 97, 1236). Ist der Teilhaber einer Wohnungseigentümer- oder Gesamthandsgemeinschaft zugleich Verpflichteter, braucht er auf der Aktivseite nicht mitzuwirken (BGHZ 142, 290, 293 = NJW 99, 3713). Miteigentümer, die eine Rückübertragung nur durch eine gemeinsame Verfügung verwirklichen können, sind notwendige Streitgenossen (BGH NJW 08, 69, 75 [BGH 02.07.2007 - II ZR 111/05]).
b) Keine notwendige Streitgenossenschaft bei Einzelprozessführungsbefugnis.
Rn 13
Abweichend besteht in den vorbezeichneten Fällen keine notwendige Streitgenossenschaft, wenn das materielle Recht den einzelnen Teilhabern eine Einzelprozessführungsbefugnis des Inhalts verleiht, den Anspruch der Gemeinschaft (durch Leistung an diese, nicht sich selbst) geltend zu machen (BGHZ 30, 195, 197 = NJW 59, 1683). Dies gilt zugunsten von Miteigentümern (§ 1011 BGB), des das Gesamtgut verwaltenden Ehegatten (§ 1422 BGB) und Miterben (§ 2039 BGB; BGHZ 121, 22, 24 = NJW 93, 727; BGHZ 92, 351, 354 = NJW 85, 385; BGHZ 79, 245, 247 = NJW 81, 1097), in Fällen der Notgeschäftsführung (§ 744 II, 1455 Nr 10, 1472 III Hs 2 BGB) und bei Ausübung des Revokationsrechts (§ 1368 BGB). Einzelklagebefugnisse der Wohnungseigentümer werden durch § 20 I WEG verdrängt (BGHZ 163, 154, 166 = NJW 05, 2061). Weitergehend stattet das Gesetz Mitberechtigte mit einem eigenen, im Interesse der anderen Teilhaber beschränkten materiell-rechtlichen Anspruch im Rahmen der §§ 432, 1077, 1128 III und 1281 S 2 BGB aus. Schließlich wird durch Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs (§ 1357 BGB: früher Schlüsselgewalt) eine Mitgläubigerstellung der Ehegatten geschaffen.
c) Feststellungsklagen.
Rn 14
Bei der Beurteilung, ob iRe Feststellungsklage eine einfache oder notwendige Streitgenossenschaft vorliegt, gelten die für eine Leistungsklage maßgeblichen Grundsätze. Darum kann ein einzelner Teilhaber Feststellungsklage erheben, sofern ihn das materielle Recht mit einer Einzelklagebefugnis versieht (BGH WM 17, 1940 Rz 23). Hat die Feststellung ein Recht zum Gegenstand, das nur gemeinsam besteht und das die Teilhaber nur gemeinschaftlich verfolgen können, besteht auch für eine Feststellungsklage eine notwendige Streitgenossenschaft. Erstreckt sich die Feststellung auf den Inhalt eines gemeinschaftlichen Rechtsverhältnisses oder die Feststellung eines der Gesamthand zustehenden Eigentums, greift eine notwendige Streitgenossenschaft ein. Streiten die Gesellschafter einer Personengesellschaft über die Mitgliedschaft, sind daran – wie bei einer Ausschlussklage – sämtliche Gesellschafter zu beteiligen (BGHZ 91, 132 f = NJW 84, 2104). An einer Kündigungsschutzklage haben auf Passivseite als Arbeitgeber alle Gesellschafter einer nicht parteifähigen GbR mitzuwirken (LAG Berlin MDR 98, 293). Am Streit über die Wirksamkeit eines Mietvertrages sind sämtliche Vermieter zu beteiligen (Celle NJW-RR 94, 854). Ein Gesellschafter-Erbe ist einzelprozessführungsbefugt, wenn er die Feststellung seiner Gesellschafterstellung ggü einem insoweit widersprechenden außenstehenden Dritten begehrt (Hambg ZIP 84, 1226, 1229). Klagt ein Gesellschafter auf die Feststellung, dass ein anderer Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschieden ist, besteht keine notwendige Streitge...