Prof. Dr. Markus Gehrlein
I. Begriff.
Rn 10
Mit der aus einem ›sonstigen Grund‹ notwendigen meint der Gesetzeswortlaut die materiell-rechtlich notwendige Streitgenossenschaft. Damit sind die Konstellationen angesprochen, in denen eine Klage nur Erfolg haben kann, sofern sie durch oder gegen mehrere Personen erhoben wird, während die Klage Einzelner oder gegen einzelne Streitgenossen mangels Einzel-Prozessführungsbefugnis unzulässig ist (BGHZ 92, 351, 353 = NJW 85, 385; BGHZ 36, 187 ff = NJW 62, 633; BGHZ 30, 195, 197 = NJW 59, 1683; BGH NJW 84, 2210; BGH WM 17, 1940 Rz 20). Eine im Zeitpunkt der Klageerhebung vorliegende materiell-rechtlich notwendige Streitgenossenschaft wird durch zwischenzeitliche Änderungen in der Rechtszuständigkeit nicht berührt: Ausgeschiedene Mitglieder bleiben Partei (§ 265 II), neue erlangen nur durch einen Beitritt (§ 265 II 2) die Parteistellung (BGH NJW 00, 291 f [BGH 15.10.1999 - V ZR 141/98]).
II. Beispiele.
1. Gesetzlich angeordnete gemeinsame Klageerhebung.
Rn 11
Das Gesetz gebietet bei einer Verwaltungsgemeinschaft, sei es eine eheliche Gütergemeinschaft in Gesamtverwaltung (§§ 1450, 1472 BGB) oder die Einsetzung mehrerer Testamentsvollstrecker (§ 2224 BGB), eine gemeinsame Klage. Ebenso verhält es sich bei einem Pfandrecht (§ 1258 II BGB) oder bei einem Nießbrauch (§ 1066 II, 1082 BGB) an einem Miteigentumsanteil. Die Klage auf Auflassung eines Grundstücks ist gegen alle Bruchteilseigentümer zu richten, weil sie über das Gesamteigentum – nicht über den eigenen Bruchteil – nur gemeinsam (§§ 747 S 2, 1008 BGB) verfügen können (BGHZ 131, 376, 379 = NJW 96, 1060; BGH NJW 08, 69, 75 Rz 71; 84, 2210; 62, 1722). Werden mehrere Bruchteilseigentümer eines Grundstücks auf Duldung einer grenzüberschreitenden Wärmedämmung in Anspruch genommen, sind sie notwendige Streitgenossen, denn die Duldungspflicht betrifft nicht die ideellen Miteigentumsanteile, sondern das Eigentum als Ganzes (BGH BeckRS 21, 37678 Rz 3). Steht eine Marke mehreren Personen in Bruchteilsgemeinschaft zu, sind sie in einem gegen die Marke gerichteten Wettbewerbsverfahren notwendige Streitgenossen (BGH WRP 14, 1196 [BGH 13.03.2014 - I ZB 27/13] Rz 10). Die Einräumung eines Notwegs an einem Grundstück kann nur gegen alle Miteigentümer erstritten werden (BGH NJW 84, 2210). Dies gilt auch bei einer Klage gegen mehrere Wohnungseigentümer auf Übernahme einer das gemeinschaftliche Eigentum betreffenden Baulast (BGH NJW-RR 91, 333 [BGH 26.10.1990 - V ZR 105/89]). Mehrere Vermieter sind bei der Feststellung der Unwirksamkeit eines Mietverhältnisses notwendige Streitgenossen (Celle NJW-RR 94, 854 [OLG Celle 12.01.1994 - 2 U 14/93]). Die auf Feststellung einer Bilanz verklagten Gesellschafter sind notwendige, die auf Mitwirkung bei der Aufstellung einer Bilanz verklagten hingegen nur einfache Streitgenossen, weil es dabei um getrennte Mitwirkungsakte geht (BGH WM 83, 1279 f). Das Gericht kann gem § 44 Abs 1 S 1 WEG auf Klage eines Wohnungseigentümers einen Beschluss für ungültig erklären (Anfechtungsklage) oder seine Nichtigkeit feststellen (Nichtigkeitsklage). Die Klagen sind gem § 44 Abs 2 S 1 WEG gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten. Mehrere Prozesse sind zur gleichzeitigen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden. Das Urteil wirkt nach § 44 Abs 3 WEG für und gegen alle Wohnungseigentümer, auch wenn sie nicht Partei sind.
2. Aktivprozesse von Gesamthändern und Mitberechtigten.
a) Grundsatz notwendiger Streitgenossenschaft.
Rn 12
Ist Kl eine nicht rechts- und parteifähige Gesamthandsgemeinschaft, müssen die Teilhaber als notwendige Streitgenossen gemeinsam auf Leistung klagen. Dies gilt für die Gesellschafter einer nicht parteifähigen Innen-GbR (BGHZ 146, 341, 348 = NJW 01, 1056), sofern nicht ausnahmsweise eine Gesellschafterklage (actio pro socio) in Betracht kommt, die gemeinsam verwaltenden Ehegatten einer Gütergemeinschaft (BGH NJW 94, 652 f [BGH 07.12.1993 - VI ZR 152/92]) und für mehrere Testamentsvollstrecker eines Nachlasses (Hambg MDR 78, 1031). Die Mitglieder einer nicht rechtsfähigen Bruchteilsgemeinschaft (§ 744 BGB) sind bei Geltendmachung einer Forderung gegen einen Dritten ebenfalls notwendige Streitgenossen. Mehrere Bewerber sind bei geschlechtsbedingter Benachteiligung im Fall von § 61b III ArbGG, mehrere Miterben iRd § 2039 BGB und mehrere Anwälte bei Geltendmachung einer gemeinsamen Honorarforderung (BGH NJW 96, 2859 [BGH 20.06.1996 - IX ZR 248/95]) notwendige Streitgenossen. Bei der Erhebung von Ansprüchen einer Außen-GbR liegt keine notwendige Streitgenossenschaft der Gesellschafter vor, weil die GbR selbst parteifähig ist (BGHZ 146, 341 = NJW 01, 1056; 11, 683 Rz 13). Nichts anderes gilt für Wohnungseigentümer bei Klagen einer Wohnungseigentümergemeinschaft hinsichtlich der das Verwaltungsvermögen betreffenden Forderungen und Verbindlichkeiten (BGHZ 163, 154, 166 f = NJW 05, 2061). In beiden Fällen wäre eine Klage durch einen bzw mehrere Gesellschafter/Wohnungseigentümer im Wege einer gewillkürten Prozessstandschaft denkbar, die jedenfalls keine notwendige Streitgenossenschaft darstellt, weil auch eine Einzelermächtigung möglich ist (BGH NJW-RR 02, 1377 f). Wurde der Antrag für alle Teilh...