Prof. Dr. Markus Gehrlein
Rn 19
Da jeder Streitgenosse grds Prozesshandlungen nur mit Wirkung für seinen eigenen Prozess vornimmt, sind die Prozesshandlungen notwendiger Streitgenossen gesondert auf ihre Wirksamkeit zu untersuchen (BGHZ 131, 376, 381 = NJW 96, 1060). Jeder Streitgenosse ist berechtigt, sich durch einen eigenen Rechtsanwalt vertreten zu lassen. Zustellungen sind separat an jeden Streitgenossen zu bewirken. Die rügelose Verhandlung eines Streitgenossen zur Hauptsache hindert die anderen Streitgenossen nicht (Wieczorek/Schütze/Schütze Rz 73), die Zuständigkeit des Gerichts zu rügen (§ 39), einer Klageänderung zu widersprechen (§ 267), Verfahrensfehler zu beanstanden (§ 295) oder Zulässigkeitsrügen zu erheben (§ 282 III). Behaupten und Bestreiten beschränkt sich, sofern andere Streitgenossen sich das Vorbringen nicht konkludent zu eigen machen, auf den sich erklärenden Streitgenossen. Ebenfalls bindet ein Geständnis (§ 288) nur den gestehenden Streitgenossen, kann aber ggü den andern Streitgenossen in die Beweiswürdigung (§ 286) einfließen (vgl BGHZ 146, 341, 349 = NJW 01, 1056). Anerkenntnis (§ 307) und Verzicht (§ 306) sind, weil sie den Inhalt der bei notwendiger Streitgenossenschaft einheitlichen Sachentscheidung betreffen, nur wirksam, wenn sie von allen Streitgenossen erklärt werden (Zö/Vollkommer 26). Anerkenntnis oder Verzicht eines einzelnen Streitgenossen können freilich iRv § 286 gewürdigt werden. Gegen die Wirksamkeit einer isolierten Klagerücknahme (§ 269) bestehen bei einer prozessrechtlich notwendigen Streitgenossenschaft keine Bedenken (BSG NJW 72, 175 f [BSG 30.07.1971 - 2 RU 241/68]). Demgegenüber sprechen bei einer materiell-rechtlich notwendigen Streitgenossenschaft die besseren Gründe dafür, eine isolierte Klagerücknahme nicht zuzulassen, weil der Zwang zur gemeinsamen Klage eine einseitige Rücknahme verbietet und die – sich mangels Prozessführungsbefugnis in einer Klageabweisung manifestierende – Bindung der klagewilligen an den prozessmüden Streitgenossen dem Vertretungsprinzip bei Säumnis (§ 62 I Hs 2) widerspricht (RGZ 78, 101, 104; Zö/Vollkommer Rz 25; aA Rostock NJW-RR 95, 381 f; St/J/Bork Rz 35). In Anlehnung an diese Grundsätze ist eine übereinstimmende Erledigungserklärung (§ 91a) nur wirksam, wenn sie von allen materiell-rechtlich notwendigen Streitgenossen abgegeben wird. Mangels materieller Verfügungsbefugnis scheitern Aufrechnung und Vergleich, wenn sie bei einer materiell-rechtlich notwendigen Streitgenossenschaft auf der Einzelhandlung eines Streitgenossen beruhen. Prozesshandlungen des Gegners sind ggü allen Streitgenossen vorzunehmen, weil ein Unterliegen ggü einem Streitgenossen wegen des Zwangs zu einer einheitlichen Entscheidung zum Verlust des Gesamtprozesses führen würde.