Prof. Dr. Markus Gehrlein
1. Terminsäumnis.
Rn 20
Bleibt ein Streitgenosse der Güteverhandlung (§ 278) fern, ist sie gescheitert. Für den Fall der Säumnis in der (streitigen) mündlichen Verhandlung ordnet § 62 I Hs 2 im Interesse einer einheitlichen Entscheidung an, dass die erschienenen die säumigen Streitgenossen vertreten (BGH NJW-RR 22, 1598 [BGH 08.07.2022 - V ZR 207/21] Rz 9). Verhandelt ein Streitgenosse, darf gegen die säumigen weder ein Versäumnisurteil (§§ 330, 331) noch eine Entscheidung nach Lage der Akten (§§ 331a, 251a) ergehen. Dahin lautende Anträge sind durch Beschl zurückzuweisen (§ 335 Nr 1). Ein unter Verstoß gegen § 62 I Hs 2 erlassenes Teilversäumnisurteil erwächst gleichwohl in Rechtskraft (BGHZ 131, 376, 381 f = NJW 96, 1060). Das Verhandeln des erschienenen Streitgenossen wirkt ebenso wie seine Prozesshandlungen auch zugunsten des Abwesenden. Die von dem Gericht zu treffende kontradiktorische Entscheidung beruht allein auf den Anträgen und dem Sachvortrag des anwesenden Streitgenossen (RGZ 39, 411 f). Infolge der Vertretungsbefugnis kann der erschienene mit Wirkung für den säumigen Streitgenossen Anerkenntnis, Verzicht und Klagerücknahme erklären sowie ein Geständnis abgeben. Falls keine Endentscheidung ergeht, kann der säumige Streitgenosse diesen Erklärungen im späteren Verfahrensverlauf vorbehaltlich einer Präklusion (§ 296) widersprechen (BGH NJW 15, 2425 [BGH 27.02.2015 - V ZR 128/14] Rz 16 ff; Musielak/Voit/Weth Rz 14). Ein Versäumnisurteil darf gegen die Streitgenossen nur ergehen, wenn alle säumig sind und allen ggü die weiteren Voraussetzungen für ein Versäumnisurteil (§ 335) vorliegen. Als Folgerung des Vertretungsprinzips sind säumige Streitgenossen im späteren Verfahren zuzuziehen (§ 62 II). Ladungen und andere gerichtliche Handlungen sind ebenso wie Prozesshandlungen der Gegenseite auch ihnen ggü vorzunehmen. Ferner kann der säumige Streitgenosse auch selbst wieder Prozesshandlungen ausüben.
2. Fristsäumnis.
Rn 21
Die für die einzelnen Streitgenossen unabhängig voneinander laufenden Fristen werden nach § 62 I Hs 2 durch die rechtzeitige Prozesshandlung eines Streitgenossen – was insb bei Rechtsmittelfristen bedeutsam ist – gewahrt. Die von einem Streitgenossen erwirkte Fristverlängerung kommt auch anderen Streitgenossen zustatten. Eine Fristwahrung durch den tätigen Streitgenossen setzt aber voraus, dass dieser sein Rechtsmittel noch vor Ablauf der für den Säumigen maßgeblichen Begründungsfrist eingelegt bzw begründet hat (BGH NJW 21, 2041 [BGH 15.04.2021 - III ZR 139/20] Rz 25). Diese Vergünstigung gilt nicht für die Begründungsfrist (ebenso wie die Klagefrist) nach § 46 I 2 WEG, weil es sich um eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist handelt (BGH NJW 09, 2132, 2134 [BGH 27.03.2009 - V ZR 196/08] Rz 21).