Prof. Dr. Markus Gehrlein
Gesetzestext
Wer die Sache oder das Recht, worüber zwischen anderen Personen ein Rechtsstreit anhängig geworden ist, ganz oder teilweise für sich in Anspruch nimmt, ist bis zur rechtskräftigen Entscheidung dieses Rechtsstreits berechtigt, seinen Anspruch durch eine gegen beide Parteien gerichtete Klage bei dem Gericht geltend zu machen, vor dem der Rechtsstreit im ersten Rechtszug anhängig wurde.
A. Normgegenstand.
Rn 1
Die praktisch wenig bedeutsame Hauptintervention (Einwirkungsklage, Einmischungsklage) ermöglicht dem Hauptintervenienten während eines laufenden Prozesses (Haupt- oder Erstprozess), das umstrittene Recht gegen beide Parteien vor dem von ihnen angerufenen Gericht für sich in Anspruch zu nehmen. Da der Hauptintervenient seine Rechte in einem neuen, eigenständigen Verfahren geltend macht, ist die Einordnung des Rechtsinstituts unter den Titel ›Beteiligungen Dritter am Rechtsstreit‹ irreführend: Der Hauptprozess findet zwischen den Erstparteien statt, während der Interventionsprozess von dem Hauptintervenienten gegen die Parteien des Hauptprozesses als Streitgenossen geführt wird. Beide Verfahren sind voneinander unabhängig, können aber nach § 147 verbunden werden (BGHZ 103, 101, 104 = NJW 88, 1204 f). Der Dritte braucht nicht den Weg der Hauptintervention zu beschreiten, sondern kann gegen die Erstparteien auch in getrennten Verfahren vorgehen. Die Hauptintervention bezweckt eine Verfahrenskonzentration und die Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen.
B. Voraussetzungen der Hauptintervention.
I. Anhängiger Rechtsstreit.
Rn 2
Eine Einwirkungsklage setzt einen schwebenden, nicht notwendig rechtshängigen (Musielak/Voit/Weth Rz 3), andererseits noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Prozess zwischen zwei Parteien voraus. Die spätere Anhängigkeit heilt eine vorzeitig erhobene Hauptintervention. Nach wirksamer Erhebung der Hauptintervention ist eine Beendigung des Rechtsstreits durch rechtkräftiges Urt, Klagerücknahme, Erledigung oder Vergleich unschädlich. Im Mahnverfahren kommt wegen der Formalisierung und in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wegen des Eilcharakters eine Hauptintervention nicht in Betracht. Bei allseitigem Einverständnis ist im Schiedsverfahren eine Hauptintervention vor dem Schiedsgericht – nicht dem staatlichen Gericht – zulässig.
II. Zuständigkeit.
Rn 3
§ 64 statuiert für die Interventionsklage eine ausschließliche örtliche und sachliche Zuständigkeit des Gerichts der 1. Instanz (nicht notwendig des gleichen Spruchkörpers), wo der Hauptrechtsstreit anhängig wurde. Diese Zuständigkeitsregel bleibt auch erhalten, wenn der Hauptprozess mittlerweile ins Rechtsmittelverfahren gelangt ist. Nach einer Verweisung ist das Adressatgericht für eine noch nicht rechtshängige Hauptintervention zuständig. Erfolgt die Verweisung des Erstprozesses erst nach Rechtshängigkeit der Hauptintervention, wird die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts für die Einmischungsklage (§ 261 III Nr 2) nicht berührt (St/J/Bork Rz 14; Wieczorek/Schütze/Mansel Rz 40; aA LG München I NJW 67, 787). Wird keine Interventionsklage erhoben, sind die Parteien des Hauptprozesses jeweils an ihrem allgemeinen Gerichtsstand zu verklagen.
III. Interventionsgrund.
Rn 4
Er ist gegeben, wenn der Hauptintervenient, der im Erstprozess Nebenintervenient (Streithelfer) einer der Parteien sein kann, die Sache oder das Recht, die den Streit des Erstprozesses bilden, ganz oder tw für sich in Anspruch nimmt. Es genügt, wenn der Hauptintervenient eine durch den Erstprozess in Widerspruch zu dem materiellen Recht beeinträchtigte Rechtsposition behauptet. Abgesehen von der Person des Rechtsinhabers ist eine Identität der Klageforderung unabdingbar (BAG 43, 312, 316). Beispiele: Klage auf Herausgabe im Hauptprozess, Inanspruchnahme des Herausgabeanspruchs durch Hauptintervenienten (RGZ 61, 241; Frankf NJW-RR 94, 957); Klage auf Feststellung des Eigentums im Hauptprozess, Behauptung des Eigentums durch Hauptintervenienten; Klage auf Zahlung aus von Hauptintervenienten abgetretener Forderung in Hauptprozess, Inanspruchnahme der Forderung durch Hauptintervenienten wegen Abtretungsmangels; Klage aus Zahlungsforderung in Hauptprozess, Inanspruchnahme der Forderung durch Hauptintervenienten infolge Pfandrecht oder Pfändung nach Überweisung zur Einziehung. Die Klage auf Herausgabe durch den Eigentümer gegen den Besitzer begründet kein Interventionsrecht des Hypothekars. Auch dem Eigentümer steht ein Interventionsgrund nicht zur Seite, wenn der Kl (Vermieter), der von dem Besitzer (Mieter) Herausgabe verlangt, dem Eigentümer ggü zum Besitz berechtigt ist. Anders verhält es sich hingegen, wenn der Eigentümer ein ihm ggü wirkendes Besitzrecht des Vermieters in Abrede stellt. Eine schlüssige Darlegung des Interventionsgrundes ist nicht erforderlich.
IV. Verfahren.
Rn 5
Neben den speziellen Erfordernissen des § 64 müssen die allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen eingreifen. Die Klage ist nach § 82 den Parteien des Hauptprozesses über ihre dortigen Bevollmächtigten zuzustellen. Die Parteien des Hauptprozesses werden unabhängig von den Voraussetzungen der §§ 59, 60 einfache Streitgenossen, wäh...