Prof. Dr. Markus Gehrlein
I. Wahlrecht des Dritten.
Rn 13
Liegen die Voraussetzungen des § 66 vor, hat der Dritte darüber zu entscheiden, ob er sein Recht wahrnimmt und den Beitritt erklärt. Er kann ohne zivilprozessualen Rechtsnachteil von einem Beitritt absehen. Entscheidet sich der Dritte gegen einen Beitritt, kann der Zulässigkeit einer von ihm gegen die spätere Entscheidung eingelegten Verfassungsbeschwerde freilich der Grundsatz der Subsidiarität entgegenstehen (BVerfG NJW 98, 2663 f [BVerfG 28.05.1998 - 1 BvR 329/98]). Ist dem Dritten der Streit verkündet worden (§ 72), treffen ihn – auch wenn er von einem Beitritt Abstand nimmt – die Rechtsfolgen der Interventionswirkung (§§ 68, 74). Werden mehrere prozessuale Ansprüche (§ 260) verfolgt, kann der Beitritt – etwa wegen teils fehlenden rechtlichen Interesses – auf einen von ihnen beschränkt werden. Im Zweifel ist dies aber nicht gewollt. Eine Begrenzung auf einen qualitativen Teil des Anspruchs scheidet hingegen aus. Falls der Dritte, was in Regressfällen denkbar ist, ein Interesse am Obsiegen beider Parteien hat, kann er wählen, welche Partei er unterstützt (BGHZ 18, 110, 112 f = NJW 55, 1316). Zwar kann er nicht beiden Parteien beitreten (KG NJW-RR 00, 514), aber von einer auf die andere Seite wechseln (BGHZ 18, 110, 112 f = NJW 55, 1316).
II. Erklärung und Prüfung des Beitritts.
Rn 14
Der Beitritt vollzieht sich in der Form des § 70. Da es sich bei dem Beitritt um eine Prozesshandlung handelt, müssen die Prozesshandlungsvoraussetzungen gegeben sein. Sie umfassen Partei- und Prozessfähigkeit, ggf ordnungsgemäße gesetzliche Vertretung, Postulationsfähigkeit sowie – in den Grenzen des § 88 II – wirksame Bevollmächtigung eines gewillkürten Vertreters (BGH NJW 12, 2810 Rz 6). Ein bedingter Beitritt ist unwirksam (Karlsr NJW 10, 621 f). Die Prozesshandlungsvoraussetzungen hat das Gericht vAw zu prüfen (BGHZ 165, 358, 362 = NJW 06, 773; BGH NJW 12, 2810 Rz 6). Ergibt sich ein Mangel, ist der Beitritt durch mit sofortiger Beschwerde (§ 567) anfechtbaren Beschl zurückzuweisen (BGH NJW 12, 2810 Rz 6; HK-ZPO/Kayser Rz 12; aA St/J/Bork Rz 25: Verfahren nach § 71). Der Beitritt in einem vor dem LG geführten Beweissicherungsverfahren unterliegt nicht dem Anwaltszwang (BGH NJW 12, 2810 [BGH 12.07.2012 - VII ZB 9/12] Rz 7 ff). Ein Prozesshandlungsvoraussetzungen entbehrender Beitritt löst, selbst wenn dies unerkannt bleibt, nicht die Interventionswirkungen des § 68 aus. Die in § 66 geregelten speziellen Voraussetzungen der Nebenintervention – insb das rechtliche Interesse – werden nur auf Rüge einer Hauptpartei (§ 71) geprüft (BGHZ 165, 358, 362 = NJW 06, 773; Nürnbg MDR 05, 473). Stellt sich im Verfahren nach § 71 ein Mangel einer Prozesshandlungsvoraussetzung heraus, findet gegen das Zwischenurteil analog § 71 II sofortige Beschwerde statt. Im Blick auf die besonderen Voraussetzungen des § 66 kommt eine Heilung durch rügelose Verhandlung (§ 295) in Betracht (Nürnbg MDR 05, 473). Sind die Voraussetzungen der von den Parteien bestrittenen Zulässigkeit der Nebenintervention offensichtlich nicht dargetan, ist ein Akteneinsichtsgesuch des Nebenintervenienten erst mit der Entscheidung über die Zulässigkeit der Nebenintervention zu bescheiden (Frankf NJW-RR 23, 638 [BGH 25.10.2022 - VI ZR 382/21]). Wird keine Rüge erhoben, erlangt der Dritte durch seinen Beitritt ohne Zulassungsverfahren und ohne Zulassungsentscheidung die Stellung eines Nebenintervenienten.
III. Zeitpunkt des Beitritts.
Rn 15
Der Beitritt kann nach Abs 2 innerhalb des Zeitraums der Anhängigkeit bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung und darum auch noch nach einer Revisionseinlegung durch die Partei iRd Revisionsbegründung (BGH NJW 99, 2046 f [BGH 17.02.1999 - X ZR 8/96]) erklärt werden. Der Beitritt kann mit einem Rechtsmittel – auch einem Einspruch oder Widerspruch – verbunden werden, muss dann aber inhaltlich sowohl den Voraussetzungen des § 70 und als auch denen der Rechtsmitteleinlegung genügen (BGH NJW 97, 2385 f [BGH 16.01.1997 - I ZR 208/94]; München NJW-RR 19, 512 [OLG München 22.11.2018 - 11 W 1501/18]). Die Einlegung eines Rechtsmittels durch eine vermeintliche Partei kann in einen mit einer Rechtsmitteleinlegung kombinierten Beitritt umgedeutet (§ 140 BGB) werden (BGH NJW 01, 1217 f [BGH 06.12.2000 - XII ZR 219/98]). Ein Beitritt kann nicht mit Hilfe eines Wiedereinsetzungsgesuchs erwirkt werden (BGH NJW 91, 229 f [BGH 04.10.1990 - IX ZB 78/90]). Der wirksam erklärte Beitritt gilt für die Dauer des gesamten Verfahrens, auch der Rechtsmittelinstanzen. Wird der Beitritt erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erklärt, besteht keine Verpflichtung zur Wiedereröffnung (§ 156; Köln MDR 83, 409). Hier kann der Beitritt durch Einlegen eines Rechtsmittels für die höhere Instanz verwirklicht werden.