Prof. Dr. Markus Gehrlein
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Der Nebenintervenient ist nicht berechtigt, ein von der Hauptpartei eingelegtes Rechtsmittel zu beschränken oder zurückzunehmen. In dieser Weise kann er aber mit einem von ihm selbst für die untätig gebliebene Partei eingelegten Rechtsmittel verfahren (BGH NJW 84, 2480 [BGH 28.03.1984 - 3 StR 95/84]). Legen die Hauptpartei und der Streithelfer Rechtsmittel ein und nimmt die Hauptpartei ihr Rechtsmittel zurück, ist der Streithelfer, weil die Rechtsmittelrücknahme der Hauptpartei für sich genommen nicht als Widerspruch gegen das von dem Streithelfer eingelegte Rechtsmittel zu deuten ist, zur Durchführung seines Rechtsmittels berechtigt (BGHZ 76, 299, 302 = NJW 80, 1693; BGH NJW 89, 1357 f; 85, 2480). Anders verhält es sich, wenn in der Rechtsmittelrücknahme der Partei ein Widerspruch gegen die Fortführung des Prozesses zu erkennen ist (BGH NJW 89, 1357 f [BGH 10.11.1988 - VII ZB 8/88]). Beteiligt sich ein Privathaftpflichtversicherer als Streithelfer an dem gegen seinen Versicherungsnehmer geführten Haftpflichtprozess, ist es ihm als einfachen Nebenintervenienten verwehrt, gegen den Widerspruch der von ihm unterstützten Hauptpartei ein Rechtsmittel zu führen (BGH NJW-RR 22, 404 [BGH 18.01.2022 - VI ZB 36/21] Rz 7). Ein Widerspruch kann ausdrücklich erklärt werden (BGH NJW 09, 2679, 2680 Rz 12; NJW-RR 99, 285 f [BGH 28.09.1998 - II ZB 16/98]), aber auch in einem gerichtlichen bzw außergerichtlichen Vergleich oder Anerkenntnis zum Ausdruck kommen (BGH NJW 88, 712; Dresd NJW-RR 94, 1550 [OLG Dresden 18.05.1993 - 7 U 60/93]; Hamm OLGR 02, 229). Mit einem Berufungsverzicht dürfte die Hauptpartei ebenfalls den Widerspruch gegen ein Rechtsmittel des Streithelfers zum Ausdruck bringen (Musielak/Voit/Weth Rz 9; aA Hambg NJW 89, 1362 f). In diesen Fällen ist das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen (BGHZ 92, 275, 279). Wurde das rechtliche Gehör des Streithelfers verletzt, kann er auch im Widerspruch zu der Hauptpartei die Gehörsrüge nach § 321a einlegen (BGH NJW 09, 2679, 2681 f [BGH 17.06.2009 - XII ZB 75/07] Rz 22 ff). Ist das Rechtsmittel des Nebenintervenienten zulässig, darf ein verspätetes Rechtsmittel der Hauptpartei, weil es sich rechtlich nur um ein Rechtsmittel handelt, nicht als unzulässig verworfen werden (BGH NJW 85, 2480 [BGH 28.03.1985 - VII ZR 317/84]; 82, 2069 [BGH 26.03.1982 - V ZR 87/81]). Dies gilt auch im umgekehrten Fall. Legt allein der Streithelfer ein Rechtsmittel ein, hat er bei einem Unterliegen die Kosten zu tragen (vgl § 101 Rz 12). Werden die Kosten der Hauptparteien gegeneinander aufgehoben, so steht dem Nebenintervenienten gegen den Gegner der von ihm unterstützten Hauptpartei ein Anspruch auf Erstattung seiner Kosten nicht zu (BGH NJW 03, 1948 [BGH 03.04.2003 - V ZB 44/02]). Gleiches gilt, wenn sich die Hauptparteien ohne Beteiligung des Streithelfers darauf verständigt haben, dass der Kläger die Klage zurücknimmt und der Beklagte zusagt, keinen Kostenantrag zu stellen (Karlsr NJW 19, 948 [BAG 24.10.2018 - 7 AZR 92/17] mit Anm Wendtland).