Prof. Dr. Markus Gehrlein
Rn 5
Wie in Hs 1 ausdrücklich geregelt, ist der Nebenintervenient an die Lage des Rechtsstreits im Zeitpunkt seines Beitritts gebunden. Er darf sich nach Hs 2 durch seine Prozesshandlungen nicht mit Erklärungen und Handlungen der unterstützen Partei in Widerspruch setzen. Der Streithelfer darf für die Partei mit oder ohne ihren Willen, aber nicht gegen ihren Willen handeln. Eine diese Grenzen überschreitende Prozesshandlung ist unbeachtlich.
I. Lage des Hauptprozesses.
Rn 6
Der unselbstständige (§ 67) wie auch der streitgenössische (§ 69) Streithelfer hat den Rechtsstreit in der Lage anzunehmen, in der er sich zum Zeitpunkt seines Beitritts befindet (Hs 1). Der Nebenintervenient ist an die Prozesshandlungen der Hauptpartei und des Gerichts gebunden. Dies gilt für Geständnisse, Einwilligungs- und Verzichtserklärungen, den Beginn und Ablauf von Fristen einschließlich bereits entstandener Präklusionslagen (§§ 296, 529, 531), Versäumungen von Prozesshandlungen wie auch den Schluss der Tatsachenverhandlung. Angriffs- und Verteidigungsmittel, die von der Hauptpartei versäumt wurden oder auf die sie verzichtet hat, kann der Nebenintervenient nicht geltend machen. Eine von der Hauptpartei versäumte Notfrist kann, weil für den Fristlauf (auch von Rechtsmitteln) allein auf die Partei abzustellen ist, nicht mehr nachgeholt werden. Mangels Dispositionsbefugnis über den Streitgegenstand darf der Streithelfer die Klage nicht beschränken und zurücknehmen, weder eine Klageänderung vornehmen noch ihr zustimmen, keine Zwischenfeststellungs- und Widerklage erheben, weder Erledigung, Anerkenntnis noch Verzicht erklären und keinen Vergleich schließen. Die Unterbrechung des Rechtsstreits bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Hauptpartei tritt auch ein, wenn diese durch einen Streithelfer, der dem Rechtsstreit als Nebenintervenient beigetreten ist, unterstützt wird. Die Unterbrechung macht das Handeln des Nebenintervenienten in gleicher Weise unwirksam wie das der unterstützten Partei (BGH WM 14, 1141 Rz 1).
II. Widerspruch der Hauptpartei.
1. Ausdrückliche oder konkludente Kundgabe.
Rn 7
Prozesshandlungen der Hauptpartei genießen im Falle einer Divergenz ggü denen des Streithelfers Vorrang (Hs 2). Sachvortrag der Partei geht dem Sachvortrag des Nebenintervenienten vor (BAG DB 11, 2441 Rz 19). Der Antrag eines Streithelfers, dem Antragsteller die Kosten eines selbstständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen, ist unwirksam, wenn die vom Streithelfer unterstützte Partei dem Antrag widerspricht (BGH NJW-RR 08, 261 Rz 8). Erklären die Parteien den Rechtsstreit nach § 91a übereinstimmend für erledigt, kann der Streithelfer einer der Parteien dem nicht widersprechen (BAG NZA 21, 1469 Rz 85). Die Partei kann dem Vorgehen des Nebenintervenienten ausdrücklich oder durch ihr prozessuales Gesamtverhalten (konkludent) widersprechen (BGHZ 165, 358, 361 = NJW 06, 773; BGH NJW-RR 91, 358, 363; Saarbr MDR 02, 842). Verhandelt die unterstützte Partei nicht oder ist sie gar nicht wirksam vertreten, scheidet ein Widerspruch aus (Köln RR 17, 1370 Rz 61). Im Zweifel ist nicht von einem entgegenstehenden Willen der Hauptpartei auszugehen (BGH NJW 85, 2480). Lässt sich ein abweichender Wille der Hauptpartei nicht feststellen (BGHZ 165, 358, 361 = NJW 06, 773), sind Prozesshandlungen des Streithelfers wirksam. Ungeklärt ist, ob der Widerspruch der Hauptpartei als einseitige Erklärung ggü dem Gericht im Anwaltsprozess nur von einem postulationsfähigen Prozessvertreter geltend gemacht werden kann (BGH NJW-RR 10, 983 Rz 28). Einen von der Partei benannten Sachverständigen darf der Streithelfer nicht ablehnen, ferner Beweisfragen nicht in einer Weise formulieren, dass ihre Beantwortung zum Nachteil der Hauptpartei ausschlägt (Ddorf OLGR 04, 378). Untätigkeit der Partei, die etwa im Nichtausnutzen einer Frist und dem Nichteinlegen eines Rechtsmittels liegen kann, stellt keine Hindernis für eigene Prozesshandlungen des Streithelfers dar (BGHZ 165, 358, 361 = NJW 06, 773). Ein Geständnis der Hauptpartei darf der Nebenintervenient widerrufen, wenn die Hauptpartei nicht widerspricht und die Voraussetzungen (§ 290) für einen Widerruf eingreifen (BGH NJW 76, 292, 293 f [BGH 14.10.1975 - VI ZR 226/74]). Ein Geständnis des Streithelfers selbst ist bei Widerspruch der Hauptpartei unbeachtlich und auch bei der Beweiswürdigung nicht zu berücksichtigen. Räumt die Bekl ein, Transportgut dem Streithelfer übergeben zu haben, kann dieser seine Obhut nicht bestreiten (BGH MDR 08, 816 [BGH 08.11.2007 - I ZR 99/05]). Der Kostenantrag des Streithelfers ist bei Widerspruch der Hauptpartei nicht zu berücksichtigen (BGH NJW-RR 08, 261 [BGH 27.09.2007 - VII ZB 85/06]). Dem Streithelfer ist mglw nicht schlechthin verwehrt, eine zwischen der unterstützten Partei und dem Gegner getroffene Kostenabrede zu bestreiten, soweit er dadurch einen eigenen Kostenanspruch erstrebt (Jena NJW-RR 18, 510 [OLG Jena 29.01.2018 - 4 U 46/15] Rz 15). Der nicht streitgenössische Nebenintervenient kann keinen Sachvortrag halten, der in Widerspruch zu demjenigen der Partei steht. Der Widerspr...