Prof. Dr. Markus Gehrlein
1. Angriffs- und Verteidigungsmittel.
Rn 3
Der Streithelfer kann, wobei Hs 2 Angriffs- und Verteidigungsmittel lediglich beispielhaft benennt, alle der Partei zustehenden Prozesshandlungen wirksam vornehmen. In der mündlichen Verhandlung ist der Streithelfer zur Entgegennahme für die Hauptpartei bestimmter Prozesshandlungen berechtigt. Die Vornahme oder Entgegennahme einer Prozesshandlung durch ihn wirkt, wie wenn die Partei selbst gehandelt hätte (BGH NJW 85, 2480 [BGH 28.03.1985 - VII ZR 317/84]). Durch sein Erscheinen in der mündlichen Verhandlung kann der Streithelfer den Erlass eines Versäumnisurteils gegen die Hauptpartei verhindern (BGH ZIP 94, 787 f). Der Streithelfer kann zur Begründung oder Abwehr der Klage Tatsachen behaupten oder bestreiten, Beweisanträge stellen, Beweiseinreden erheben, einem Dritten den Streit verkünden, für die Hauptpartei Richter oder Sachverständige ablehnen. Ferner darf er materiell-rechtliche Einreden der Hauptpartei (Verjährung, Zurückbehaltung, Vorausklage) und von ihr ausgeübte Gestaltungsrechte (Anfechtung, Aufrechnung, Rücktritt) geltend machen (BGH VersR 85, 80). Eine von dem Streithelfer in der mündlichen Verhandlung vorgenommene Prozesshandlung ist bei einem sofortigen Widerruf der Partei wirkungslos; ebenso verhält es sich, wenn schriftsätzliches Vorbringen unverzüglich zurückgewiesen wird. Falls die Hauptpartei nicht widerspricht, kann der Streithelfer außerhalb der mündlichen Verhandlung das Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklären (BayObLGZ 63, 240). Eine Erklärung des Streithelfers mit Nichtwissen ist unzulässig, wenn sie eine Tatsache betrifft, die entweder eine eigene Handlung der unterstützten Hauptpartei oder Gegenstand von deren Wahrnehmung gewesen ist (BGH Urt v 29.10.20 – IX ZR 10/20, Rz 25). Dem Nebenintervenienten ist es verwehrt, materiell-rechtliche Rechtsgeschäfte für die Partei vorzunehmen, gleich ob es sich um die Anfechtung einer Willenserklärung, den Rücktritt vom Vertrag, die Aufrechnung mit einer Forderung der Hauptpartei oder den Abschluss eines Vergleichs handelt (BGH NJW 66, 930). Die Geltendmachung eigener materieller Rechte wird kaum in Betracht kommen, es sei denn, der Streithelfer rechnet als neben der Hauptpartei verpflichteter Gesamtschuldner mit einer ihm zustehenden Forderung auf. Der Streithelfer darf nicht im eigenen, sondern im Interesse der unterstützten Hauptpartei (vgl Rn 1) Anträge stellen, etwa auf Festsetzung des Streitwerts oder Hinausschieben der Zustellung (§ 317 I 3). Ist die unterstützte Hauptpartei nicht zu einer Erklärung mit Nichtwissen berechtigt, muss auch ihr Streithelfer (zumindest) einfach bestreiten (BGH NJW 21, 1957 [BGH 29.10.2020 - IX ZR 10/20] Rz 25). Im selbstständigen Beweisverfahren kann der Streithelfer Anträge auf Fristsetzung zur Klageerhebung (§ 494a I) und bei Nichtbeachtung der Frist auf Kostenerstattung (§ 494a II) stellen (Köln OLGR 05, 219 f; Ddorf BauR 04, 1657). Dem Antragsteller sind im selbstständigen Beweisverfahren die Kosten des Streitfalles des Antragsgegners auch dann aufzuerlegen, wenn er der gerichtlichen Anordnung zur Klageerhebung nur deshalb nicht nachkommt, weil der Antragsgegner wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen zu einer Mängelbeseitigung nicht in der Lage ist (Frankf RR 08, 1552) Der Streithelfer darf das selbstständige Beweisverfahren nicht durch Fragen ergänzen, die für sein Verhältnis zur Hauptpartei, aber nicht deren Verhältnis zum Gegner relevant sind (Ddorf OLGR 04, 378).
2. Rechtsmittel.
Rn 4
Der Streithelfer ist berechtigt, für bzw namens (BGH NJW 97, 2385 f [BGH 16.01.1997 - I ZR 208/94]; 95, 198 f [BGH 04.10.1994 - VI ZR 223/93]; 90, 190) der Hauptpartei Rechtsmittel einschließlich des Einspruchs wie auch der Beschwerde im Kostenfestsetzungsverfahren (Schleswig NJW-RR 15, 638 [OLG Schleswig 16.12.2014 - 9 W 182/14]; München NJW-RR 19, 512 [OLG München 22.11.2018 - 11 W 1501/18]) einzulegen und zu begründen (BGH NJW 85, 2480 [BGH 28.03.1985 - VII ZR 317/84]; BAG NJW 18, 2078 Rz 6 f). Auch zu einer Anschließung an das vom Gegner eingelegte Rechtsmittel ist er befugt. Führt nur der Streithelfer das Rechtsmittel, wird er Rechtsmittelkläger und die Hauptpartei – nicht der Streithelfer – zugleich Partei des Rechtsmittelverfahrens (BGH RR 12, 1042 Rz 5; RR 20, 942 Rn. 6; NJW 93, 2944). Legen der Streithelfer und die Hauptpartei Rechtsmittel ein, handelt es sich um ein einheitliches Rechtsmittel der Hauptpartei (BGH RR 12, 1042 Rz 5; NJW 93, 2944 [BGH 01.07.1993 - V ZR 235/92]; 90, 190 f; 82, 2069), über das auch einheitlich zu entscheiden ist (BGH MDR 06, 944). Dies gilt auch dann, wenn die Berufung der Hauptpartei und die Berufung des Streithelfers bei verschiedenen Gerichten eingelegt wurden; dann hat das Gericht zu entscheiden, bei dem das Rechtsmittel der Hauptpartei anhängig ist (BGH RR 12, 141 Rz 5). Der Streithelfer kann sein Rechtsmittel ungeachtet dessen, dass ihm das anzufechtende Urteil später als der Partei zugestellt wurde, nur innerhalb der für die Hauptp...