Prof. Dr. Markus Gehrlein
1. Ausdrückliche oder konkludente Kundgabe.
Rn 7
Prozesshandlungen der Hauptpartei genießen im Falle einer Divergenz ggü denen des Streithelfers Vorrang (Hs 2). Sachvortrag der Partei geht dem Sachvortrag des Nebenintervenienten vor (BAG DB 11, 2441 Rz 19). Der Antrag eines Streithelfers, dem Antragsteller die Kosten eines selbstständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen, ist unwirksam, wenn die vom Streithelfer unterstützte Partei dem Antrag widerspricht (BGH NJW-RR 08, 261 Rz 8). Erklären die Parteien den Rechtsstreit nach § 91a übereinstimmend für erledigt, kann der Streithelfer einer der Parteien dem nicht widersprechen (BAG NZA 21, 1469 Rz 85). Die Partei kann dem Vorgehen des Nebenintervenienten ausdrücklich oder durch ihr prozessuales Gesamtverhalten (konkludent) widersprechen (BGHZ 165, 358, 361 = NJW 06, 773; BGH NJW-RR 91, 358, 363; Saarbr MDR 02, 842). Verhandelt die unterstützte Partei nicht oder ist sie gar nicht wirksam vertreten, scheidet ein Widerspruch aus (Köln RR 17, 1370 Rz 61). Im Zweifel ist nicht von einem entgegenstehenden Willen der Hauptpartei auszugehen (BGH NJW 85, 2480). Lässt sich ein abweichender Wille der Hauptpartei nicht feststellen (BGHZ 165, 358, 361 = NJW 06, 773), sind Prozesshandlungen des Streithelfers wirksam. Ungeklärt ist, ob der Widerspruch der Hauptpartei als einseitige Erklärung ggü dem Gericht im Anwaltsprozess nur von einem postulationsfähigen Prozessvertreter geltend gemacht werden kann (BGH NJW-RR 10, 983 Rz 28). Einen von der Partei benannten Sachverständigen darf der Streithelfer nicht ablehnen, ferner Beweisfragen nicht in einer Weise formulieren, dass ihre Beantwortung zum Nachteil der Hauptpartei ausschlägt (Ddorf OLGR 04, 378). Untätigkeit der Partei, die etwa im Nichtausnutzen einer Frist und dem Nichteinlegen eines Rechtsmittels liegen kann, stellt keine Hindernis für eigene Prozesshandlungen des Streithelfers dar (BGHZ 165, 358, 361 = NJW 06, 773). Ein Geständnis der Hauptpartei darf der Nebenintervenient widerrufen, wenn die Hauptpartei nicht widerspricht und die Voraussetzungen (§ 290) für einen Widerruf eingreifen (BGH NJW 76, 292, 293 f [BGH 14.10.1975 - VI ZR 226/74]). Ein Geständnis des Streithelfers selbst ist bei Widerspruch der Hauptpartei unbeachtlich und auch bei der Beweiswürdigung nicht zu berücksichtigen. Räumt die Bekl ein, Transportgut dem Streithelfer übergeben zu haben, kann dieser seine Obhut nicht bestreiten (BGH MDR 08, 816 [BGH 08.11.2007 - I ZR 99/05]). Der Kostenantrag des Streithelfers ist bei Widerspruch der Hauptpartei nicht zu berücksichtigen (BGH NJW-RR 08, 261 [BGH 27.09.2007 - VII ZB 85/06]). Dem Streithelfer ist mglw nicht schlechthin verwehrt, eine zwischen der unterstützten Partei und dem Gegner getroffene Kostenabrede zu bestreiten, soweit er dadurch einen eigenen Kostenanspruch erstrebt (Jena NJW-RR 18, 510 [OLG Jena 29.01.2018 - 4 U 46/15] Rz 15). Der nicht streitgenössische Nebenintervenient kann keinen Sachvortrag halten, der in Widerspruch zu demjenigen der Partei steht. Der Widerspruch muss nicht ausdr erklärt werden; es reicht, wenn sich aus dem Gesamtverhalten der unterstützten Partei zweifelsfrei ergibt, dass sie die Erklärung des Nebenintervenienten nicht gg sich gelten lassen möchte. Der Widerspruch der Hauptpartei ist dabei auch dann zu berücksichtigen, wenn er nicht durch einen Rechtsanwalt erklärt wird; er unterliegt nicht dem Anwaltszwang (BGH NJW-RR 22, 1432 [BGH 26.04.2022 - VI ZR 1321/20] Rz 13 ff). Der Streithelfer ist nicht befugt, einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit gegen den Widerspruch der Hauptpartei abzulehnen (KG NJW-RR 23, 1232 [KG Berlin 15.02.2023 - 10 W 22/23]).
2. Rechtsmittel.
Rn 8
Der Nebenintervenient ist nicht berechtigt, ein von der Hauptpartei eingelegtes Rechtsmittel zu beschränken oder zurückzunehmen. In dieser Weise kann er aber mit einem von ihm selbst für die untätig gebliebene Partei eingelegten Rechtsmittel verfahren (BGH NJW 84, 2480 [BGH 28.03.1984 - 3 StR 95/84]). Legen die Hauptpartei und der Streithelfer Rechtsmittel ein und nimmt die Hauptpartei ihr Rechtsmittel zurück, ist der Streithelfer, weil die Rechtsmittelrücknahme der Hauptpartei für sich genommen nicht als Widerspruch gegen das von dem Streithelfer eingelegte Rechtsmittel zu deuten ist, zur Durchführung seines Rechtsmittels berechtigt (BGHZ 76, 299, 302 = NJW 80, 1693; BGH NJW 89, 1357 f; 85, 2480). Anders verhält es sich, wenn in der Rechtsmittelrücknahme der Partei ein Widerspruch gegen die Fortführung des Prozesses zu erkennen ist (BGH NJW 89, 1357 f [BGH 10.11.1988 - VII ZB 8/88]). Beteiligt sich ein Privathaftpflichtversicherer als Streithelfer an dem gegen seinen Versicherungsnehmer geführten Haftpflichtprozess, ist es ihm als einfachen Nebenintervenienten verwehrt, gegen den Widerspruch der von ihm unterstützten Hauptpartei ein Rechtsmittel zu führen (BGH NJW-RR 22, 404 [BGH 18.01.2022 - VI ZB 36/21] Rz 7). Ein Widerspruch kann ausdrücklich erklärt werden (BGH NJW 09, 2679, 2680 Rz 12; NJW-RR 99, 285 f [BGH 28.09.1998 - II ZB 16/98]), aber auch in einem...