Prof. Dr. Markus Gehrlein
Rn 9
Als wesentlicher Unterschied zum einfachen darf der streitgenössische Nebenintervenient das Recht der unterstützten Hauptpartei betreffende Angriffs- und Verteidigungsmittel auch gegen deren Widerspruch wahrnehmen (BGHZ 92, 275 f = NJW 85, 386; BGHZ 89, 121, 124 = NJW 84, 353; BAG DB 11, 2441 Rz 21). Der neben dem Versicherungsnehmer verklagte Versicherer darf im Interesse einer Klageabweisung einen der Darstellung des Versicherungsnehmers widersprechenden Sachverhalt vortragen (BGH MDR 12, 181 [BGH 29.11.2011 - VI ZR 201/10] Rz 3 ff). Ein Geständnis (§ 288) der Hauptpartei ist bei einem Widerspruch des streitgenössischen Nebenintervenienten unbeachtlich, aber iRd § 286 zu würdigen. Ebenso verhält es sich, wenn die Hauptpartei einem Geständnis des streitgenössischen Nebenintervenienten widerspricht. Ein Anerkenntnis (§ 307) oder ein Verzicht (§ 306) der unterstützten Hauptpartei ist bei einem Widerspruch des streitgenössischen Nebenintervenienten wirkungslos (BGH NJW-RR 93, 1254 [BGH 12.07.1993 - II ZR 65/92]; Schlesw NJW-RR 93, 930 [OLG Schleswig 28.01.1993 - 5 U 210/91]). Mangels Dispositionsbefugnis über den Streitgegenstand ist der streitgenössische Nebenintervenient nicht zu einem Anerkenntnis oder Verzicht berechtigt (ThoPu/Hüßtege Rz 6; str). Zum Zwecke der Aufklärung kann das persönliche Erscheinen des streitgenössischen Nebenintervenienten angeordnet werden (§ 141). Er ist iRd Beweiserhebung als Partei und nicht als Zeuge zu vernehmen. Eine Frist- oder Terminsversäumung liegt nicht vor, wenn der streitgenössische Nebenintervenient die Frist gewahrt hat oder im Termin erschienen ist. Unterbrechungsgründe (§§ 239 ff) in der Person des streitgenössischen Nebenintervenienten sind zu beachten. Für den streitgenössischen Nebenintervenienten, dem Urteile nicht nur formlos mitzuteilen, sondern zuzustellen sind, laufen unabhängig von der Zustellung an die Hauptpartei eigene, auf die an ihn bewirkte Zustellung bezogene Rechtsmittelfristen (BGHZ 89, 121, 125 = NJW 84, 353; BGH NJW 01, 1355; NJW-RR 97, 919). War der streitgenössische Nebenintervenient erstinstanzlich nicht beigetreten, bestimmen sich die Rechtsmittelfristen nach dem Zeitpunkt der Zustellung an die Hauptpartei (BGH NJW 08, 1889; ZIP 05, 45). Dem nicht beigetretenen und über das Verfahren nicht informierten Streithelfer kann Wiedereinsetzung gewährt werden (BGH NJW 08, 1889, 1890). Der Streithelfer ist ungeachtet eines Rechtsmittelverzichts der Hauptpartei zur Rechtsmitteleinlegung befugt (BGH NJW 08, 1889). Abweichend vom einfachen kann der streitgenössische Nebenintervenient ein Rechtsmittel auch gegen den Willen der unterstützten Hauptpartei durchführen (BGHZ 92, 275 f = NJW 85, 386; NJW 09, 1496 f Rz 13 ff; Nürnberg MDR 09, 1401). Einer Rechtsmittelrücknahme durch die Hauptpartei kann er, gleich ob es sich um deren oder um sein eigenes Rechtsmittel handelt, widersprechen. Dies gilt selbst dann, wenn die Hauptpartei auf ein Rechtsmittel verzichtet oder die Rechtsmittelfrist versäumt hat. Hat hingegen allein die Hauptpartei das Rechtsmittel eingelegt, kann er der Rechtsmittelrücknahme nicht widersprechen (BGH RR 11, 263 Rz 4). Der streitgenössischen Nebenintervenient kann wegen in seiner Person eingreifender Gründe Wiedereinsetzung beantragen.