Gesetzestext
(1) Der Vollstreckungsbescheid steht einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleich.
(2) Die Streitsache gilt als mit der Zustellung des Mahnbescheids rechtshängig geworden.
(3) 1Wird Einspruch eingelegt, so gibt das Gericht, das den Vollstreckungsbescheid erlassen hat, den Rechtsstreit von Amts wegen an das Gericht ab, das in dem Mahnbescheid gemäß § 692 Abs. 1 Nr. 1 bezeichnet worden ist, wenn die Parteien übereinstimmend die Abgabe an ein anderes Gericht verlangen, an dieses. 2§ 696 Abs. 1 Satz 3 bis 5, Abs. 2, 5, § 697 Abs. 1, 4, § 698 gelten entsprechend. 3§ 340 Abs. 3 ist nicht anzuwenden.
(4) 1Bei Eingang der Anspruchsbegründung ist wie nach Eingang einer Klage weiter zu verfahren, wenn der Einspruch nicht als unzulässig verworfen wird. 2§ 276 Abs. 1 Satz 1, 3, Abs. 2 ist nicht anzuwenden.
(5) Geht die Anspruchsbegründung innerhalb der von der Geschäftsstelle gesetzten Frist nicht ein und wird der Einspruch auch nicht als unzulässig verworfen, bestimmt der Vorsitzende unverzüglich Termin; § 697 Abs. 3 Satz 2 gilt entsprechend.
(6) Der Einspruch darf nach § 345 nur verworfen werden, soweit die Voraussetzungen des § 331 Abs. 1, 2 erster Halbsatz für ein Versäumnisurteil vorliegen; soweit die Voraussetzungen nicht vorliegen, wird der Vollstreckungsbescheid aufgehoben.
A. Grundlagen.
Rn 1
Während § 696 den Übergang in das streitige Verfahren nach Widerspruch gegen den MB regelt, behandelt § 700 den Übergang nach Einspruch gegen den VB. Mit dem VB erhält der ASt einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel (§ 794 I Nr 4), der dem vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil gleichgestellt ist (§ 700 I). Einspruch ist der einzig zulässige Rechtsbehelf. Er allein hindert die Zwangsvollstreckung nicht. Der Ag kann jedoch Einstellung der Zwangsvollstreckung gem §§ 707, 719 beantragen. Die Einstellung ist grds nur gegen Sicherheitsleistung zu erreichen (§ 719 I 2). § 182a SGG, wonach Beitragsansprüche von Unternehmen der privaten Pflegeversicherung im Mahnverfahren vor dem AG geltend gemacht werden können, bestimmt in § 182a II 2, dass für die Entscheidung des SG über den Einspruch gegen den VB §§ 700 I, 343 entspr gelten.
Rn 2
Die Gleichstellung des VB mit einem vorläufig vollstreckbar erklärten Versäumnisurteil (§ 700 I) führt dazu, dass Vorschriften über das Versäumnisurteil entsprechend anwendbar sind, ua die Vorschriften über den Einspruch (§ 338), die zweiwöchige Einspruchsfrist (§ 339) und die Einspruchsschrift (§ 340 I und II, nicht III, vgl § 700 III 3). Zu §§ 345, 331 I 2 Hs 1 vgl § 700 VI u § 345 Rn 6. Gleichstellung bedeutet jedoch auch Schadensersatzpflicht gem § 717 II, soweit die vorläufige Vollstreckbarkeit (§ 700 I und § 794 I Nr 4) durch Verkündung eines abändernden Urteils außer Kraft tritt (§ 717 I).
B. Bindung an Anspruchsbezeichnung.
Rn 3
Selbst wenn im MB und VB der Anspruch bezeichnet ist wie zB ›Schadensersatzanspruch gem § 823 BGB …‹, ist der VB nicht geeignet, die rechtliche Einordnung des in ihm geltend gemachten Anspruchs als ›unerlaubte Handlung‹ festzulegen, denn der MB beruht auf den einseitigen, vom Gericht nicht auf Schlüssigkeit geprüften Angaben des Gläubigers (BGH 6.4.16 – VII ZB 67/13). Titel, die ohne eine richterliche Schlüssigkeitsprüfung ergangen sind, vermögen so weitreichende Folgen wie in § 302 Nr 1 InsO und § 850f II (BGH NJW 06, 2922) oder § 850d I (BGH 11.10.17 – VII ZB 42/15) nicht zu rechtfertigen. Will der Gläubiger ein Vollstreckungsprivileg wie in §§ 850d und 850f in Anspruch nehmen, kann er dies nicht allein durch Vorlage eines Vollstreckungsbescheides. Den Nachweis für § 850f II einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung kann er jedoch durch die Vorlage eines vollstreckbaren Auszugs aus der Insolvenztabelle führen, wenn sich daraus ergibt, dass eine solche Forderung zur Tabelle festgestellt und vom Schuldner nicht bestritten worden ist (BGH 4.9.19 – VII ZB 91/17, NJW 19, 3237). Sonst muss er ein Feststellungsurteil erwirken, das im ordentlichen Verfahren ergeht und mindestens eine Schlüssigkeitsprüfung durch einen Richter voraussetzt (BGH 6.4.16 – VII ZB 67/13). Die Entscheidungen nehmen Rücksicht auf den Schuldner. Wenn er prüft, ob er Einspruch einlegen soll, wird für ihn die Berechtigung der Forderung und ihrer Höhe im Vordergrund stehen und er wird sehr wahrscheinlich die Folgen nicht überblicken, die sich aus der bloßen Behauptung des ASt entwickeln können, er habe die Forderung rechtlich zutr bezeichnet (vgl BGH NJW 06, 2922 [BGH 18.05.2006 - IX ZR 187/04]). Der ASt hat zu bedenken, ob er sogleich Klage einreicht oder zusätzlich zum Mahnverfahren noch die gesonderte gerichtliche Feststellung betreibt.
C. Rechtshängigkeit.
Rn 4
Mit dem Erlass des VB (Brandbg 27.4.12 – 6 W 52/12, Rz 19) gilt die Streitsache als mit der Zustellung des MB (§ 693 I) rechtshängig geworden (§ 700 II). Der MB ist gem §§ 693 I, 166 II vAw zuzustellen (§ 693 Rn 4). § 167 verlegt die Wirkung der Zustellung (s § 693 Rn 4) auf den Eingang des Mahnantrags vor, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Zu den Vorausse...