I. Einlegung eines Rechtsmittels.
Rn 7
Wird ein Rechtsmittel (ihm gleich gestellt ist die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72a ArbGG: BAG NJW 08, 1610 [BAG 28.02.2008 - 3 AZB 56/07]) oder Einspruch gegen eine rechtskraftfähige Entscheidung innerhalb der Rechtsmittel- oder Einspruchsfrist eingelegt, hemmt das den Eintritt der formellen Rechtskraft (S 2). Außerordentliche Rechtsbehelfe wie der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 (BGHZ 100, 205), die Erhebung der Gehörsrüge nach § 321a (Neufassung des § 705 durch das Anhörungsrügengesetz v 9.12.04, BGBl I, 3220), die Klage auf Wiederaufnahme nach § 578 oder die Einlegung einer Verfassungsbeschwerde hemmen den Eintritt der Rechtskraft dagegen nicht (BVerfG NJW 96, 1736). Haben sie jedoch Erfolg, durchbrechen sie die formelle Rechtskraftwirkung rückwirkend und die Entscheidung wird in der Sache wieder abgeändert (BGH NJW 87, 1766, 1767). Ein Prozesskostenhilfeantrag über die zukünftige Einlegung eines Rechtsmittels (Stuttg Justiz 88, 159) hemmt den Eintritt der formellen Rechtskraft ebenso wenig wie die Möglichkeit der Aufhebung eines Vorbehaltsurteils im Nachverfahren (BGHZ 69, 270 = NJW 78, 43) oder die Einlegung der Anhörungsrüge nach § 152a VwGO (BTDrs 15/3706 v 21.9.04, 13 f; BVerwG AGS 10, 304 [BVerwG 18.02.2010 - BVerwG 9 KSt 1.10]). Das Rechtsmittel eines einfachen Streitgenossen entfaltet hemmende Wirkung nur in seiner Person (Karlsr OLGZ 89, 77).
II. Umfang der hemmenden Wirkung.
Rn 8
Die hemmende Wirkung des Rechtsmittels oder Einspruchs erstreckt sich auf die gesamte Entscheidung, mithin auch auf den Teil, der den Rechtsmittelführer begünstigt (BGH NJW 94, 657, 659; NJW 94, 2896 [BGH 08.06.1994 - VIII ZR 178/93]; NJW 92, 2296). Bezüglich des den Rechtsmittelführer begünstigenden Teil hört die Hemmungswirkung erst dann auf, wenn ein Anschlussrechtsmittel des Gegners nach Maßgabe der §§ 524, 554 nicht mehr statthaft ist. Das ist der Fall, wenn die zur Berufungserwiderung gesetzte Frist (§ 524 II 2; zur Erweiterung der Anschlussberufung nach Ablauf dieser Frist: BGH NJW 05, 3067 [BGH 06.07.2005 - XII ZR 293/02]) oder die Frist von einem Monat nach der Zustellung der Revisionsbegründung nach § 554 II 2 abgelaufen ist (Oldbg NJW-RR 05, 368). Die hemmende Wirkung des Rechtsmittels oder des Einspruchs bezieht sich auch auf denjenigen Teil der Entscheidung, die den Rechtsmittelführer beschwert. Die Rechtskraft wird auch dann in ihrer Gesamtheit gehemmt, wenn der Rechtsmittelkläger die ihn beschwerende Entscheidung nur zT angefochten hat. Denn bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Rechtsmittelinstanz kann das Rechtsmittel noch auf den gesamten Streitstoff ausgedehnt werden (BGH NJW 94, 657, 659; BGHZ 91, 154, 159 = NJW 84, 2831, 2832). Die Hemmung bezieht sich auch dann auf die nicht angefochtenen Entscheidungsteile, wenn die Entscheidung mangels Beschwer von der anderen Partei nicht mehr angegriffen werden kann (BGH NJW 92, 2296 [BGH 12.05.1992 - VI ZR 118/91]). Das gilt auch, wenn die Partei bei einer Teilanfechtung iÜ nicht eindeutig auf Rechtsmittel verzichtet hat (zum Vorliegen eines Verzichts s.o. Rn 4). Teilrechtskraft kommt bei einer beschränkten Anfechtung hingegen nur in Betracht, wenn der Rechtsmittelführer eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, dass ansonsten von der Einlegung eines Rechtsmittels Abstand genommen wird (BGH NJW 89, 170). Der Einspruch gegen ein Versäumnisurteil oder einen Vollstreckungsbescheid (§§ 338, 370) entfaltet hemmende Wirkung nur, soweit er reicht (LAG München MDR 94, 834).