1. Zuständigkeit.
Rn 2
Die Erteilung von Rechtskraftzeugnissen ist funktionell dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zugewiesen. Grundsätzlich ist die Geschäftsstelle desjenigen Gerichts zuständig, das über die Rechtssache erstinstanzlich befunden hat (iudex a quo). Das gilt auch dann, wenn die Entscheidung von einem örtlich oder sachlich nicht zuständigen Gericht stammt (Stuttg Rpfleger 79, 145). Ist die Sache bei einem Gericht des höheren Rechtszugs anhängig, wird das Rechtskraftzeugnis von dem Urkundsbeamten seiner Geschäftsstelle erteilt. Das ist zweckmäßig, weil sich die Akten, aufgrund deren das Rechtskraftzeugnis nach § 706 I 1 erteilt wird, ohnehin dort befinden. Die Anhängigkeit der Rechtssache ist aus der Sicht des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle festzustellen. Sie knüpft sich an den Eingang der Rechtsmittelschrift und dauert solange an, bis es zur ordnungsmäßigen Rücksendung der Akten an das Ausgangsgericht kommt, also uU auch noch dann, wenn die rechtsprechende Tätigkeit des Gerichts durch Entscheidung, Vergleich, Rücknahme oder Verzicht schon beendet ist (St/J/Münzberg § 706 Rz 4). Die Anhängigkeit beim Gericht des höheren Rechtszugs besteht fort, solange die Akten in der Geschäftsstelle noch benötigt werden, etwa für die Abfassung und Ausfertigung des Urteils oder ein Berichtigungsverfahren. Die Beantragung von Prozesskostenhilfe für die zukünftige Einlegung eines Rechtsmittels macht den Rechtsstreit dagegen bei ihm nicht anhängig (BGH Rpfleger 56, 97).
2. Verfahren.
Rn 3
Die Erteilung des Rechtskraftzeugnisses setzt einen formlosen Antrag voraus, den die Prozessbeteiligten, Parteien und Streithelfer stellen dürfen, ohne dass sie sich dafür eines Anwalts bedienen müssen (§ 78 III). Ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis muss nicht gegeben sein (München FamRZ 85, 202), so dass sich die Prüfungskompetenz des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle auf das Vorliegen der Antragsberechtigung und den Eintritt der formellen Rechtskraft nach § 705 beschränkt. Diese ist aufgrund der Prozessakten festzustellen. Fehlen Angaben (zB Zustellungsnachweise, Notfristattest nach § 706 II), obliegt es dem Antragsteller, diese nachzuliefern. Er muss dazu, bevor der Antrag auf Zeugniserteilung zurückgewiesen wird, aufgefordert und auf die Unklarheiten hingewiesen werden (Rechtsgedanke des § 139). Bei Entscheidungen, gegen die ein Rechtsmittel oder Einspruch nicht statthaft ist (vgl § 705 Rn 2, 3), muss das Rechtskraftzeugnis ohne weitere Prüfung ausgestellt werden. Ist dagegen ein Rechtsmittel oder Einspruch statthaft, obliegt es dem Urkundsbeamten, zu prüfen, ob innerhalb der Notfrist ein Rechtsmittel oder Einspruch eingelegt wurde, nicht hingegen, ob diese zulässig sind (Zö/Seibel § 706 Rz 5). Wird das Rechtskraftzeugnis beim iudex ad quem beantragt, wird anhand der Akten leicht feststellbar sein, ob der Rechtskrafteintritt gehemmt ist (vgl § 705 Rn 7, 8). Sonst muss der Antragsteller den Nachweis, dass ein Rechtsmittel nicht innerhalb der Notfrist eingelegt wurde, durch Vorlage eines von ihm selbst beizubringenden Notfristzeugnisses nach § 706 II führen. Eine Anhörung des Prozessgegners findet nicht statt.
3. Entscheidung.
Rn 4
Wird das Rechtskraftzeugnis erteilt, geschieht das durch Anbringung folgenden Vermerks auf der vom Antragsteller beigebrachten Entscheidungsausfertigung: ›Die Entscheidung ist rechtskräftig.‹ oder auch ›Vorstehendes Urt ist rechtskräftig.‹ Der Vermerk muss mit dem Zusatz ›als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle‹ unterzeichnet werden. Auch muss er ein Datum enthalten. Der Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft braucht dagegen nicht festgehalten werden. Auch der Eintritt von Teilrechtskraft ist zu bescheinigen (BGH NJW 89, 170; Oldbg MDR 04, 119 [BGH 18.09.2003 - V ZB 9/03] = NJW-RR 05, 368 [OLG Oldenburg 22.06.2004 - 1 U 3/04]). Wegen der Hemmungswirkung des § 705 (vgl § 705 Rn 7, 8) darf ein Rechtskraftzeugnis für den nicht angegriffenen Teil eines noch nicht rechtskräftigen Urteils nicht erteilt werden (Bremen NJW 79, 1210; aA Frankf FamRZ 85, 821 [OLG Frankfurt am Main 10.09.1984 - 3 UF 86/83]). Liegen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Rechtskraftzeugnisses nicht vor, weist der Urkundsbeamte den Antrag zurück. Das geschieht idR durch Beschl, kann aber auch durch eine einfache Mitteilung geschehen, vorausgesetzt es ist erkennbar, dass es sich um eine Entscheidung handelt. Eine Kostenentscheidung ergeht weder bei Ausstellung noch bei Verweigerung des Rechtskraftzeugnisses (MüKoZPO/Götz § 706 Rz 5).