Gesetzestext
1Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. 2Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. 3Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.
A. Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit nach § 709.
Rn 1
Nach § 709 richtet sich die vorläufige Vollstreckbarkeit für alle Urteile in vermögens- (Rn 4) und nichtvermögensrechtlichen (Rn 3) Streitigkeiten (Giers DGVZ 08, 8), soweit nicht § 708 einschlägig, eine Vollstreckbarkeitserklärung überhaupt unmöglich oder entbehrlich ist. Die Norm bildet daher einen ›Auffangtatbestand‹ (Zö/Herget § 709 Rz 1). Die vorläufige Vollstreckbarkeit wird im Tenor des Urteils angeordnet. Bei mehreren Ansprüchen iSv § 260 geschieht das getrennt für jede titulierte Forderung (weitergehend Frankf MDR 96, 961: bei berechtigtem Grund Anordnung für Teilbeträge), bei Streitgenossen wird sie für jeden einzelnen angeordnet (ThoPu/Seiler § 709 Rz 3). Die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 709 erschwert den vollstreckungsrechtlichen Zugriff des Gläubigers auf das Vermögen des Schuldners, weil dieser erst nach der Leistung der Sicherheit und deren Nachweis iSv § 751 II erfolgen darf (Ausnahme: § 720a für die Sicherungsvollstreckung von Zahlungsansprüchen). Wird sie fehlerhaft angeordnet, lässt sich dem Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit – anders als bei der Entscheidung nach §§ 708, 711 (BGH NJW 11, 926 [BGH 10.02.2011 - III ZR 338/09]) – nicht entnehmen, dass das erstinstanzliche Gericht seine Entscheidung für rechtsmittelfähig gehalten hat (BGH NJW-RR 12, 633 [BGH 07.03.2012 - IV ZR 277/10]). Wird zur Einstellung nach §§ 719, 707 Sicherheit geleistet, entfällt idR das Bedürfnis nach Sicherheit nach § 709 zumindest teilw und § 109 ist anwendbar (Hamm MDR 13, 935). Allg zu Eintritt, Umfang und Wirkung der vorläufigen Vollstreckbarkeit § 708 Rn 2.
B. Sicherheitsleistung (S 1).
I. Funktion und Arten.
Rn 2
Die Sicherheitsleistung des Gläubigers iSv § 108 schützt den Schuldner vor den nachteiligen Folgen einer materiell nicht berechtigten Zwangsvollstreckung. Wird das Urt im Instanzenzug aufgehoben oder abgeändert, hat der Schuldner nach § 717 II einen Ersatzanspruch, zu dessen Befriedigung er sich an der Sicherheitsleistung des Gläubigers schadlos halten kann. Die Sicherheit muss daher wertmäßig neben dem gesamten vollstreckbaren Anspruch stets den Wert des Ersatzanspruchs nach § 717 II enthalten (Zweibr NJOZ 01, 1218). Er sichert die Rückforderung, ist aber kein Ausgleich für den Erhalt einer Zahlung (BGH MDR 15, 1327). Wie der Anspruch realisiert wird, hängt von der Art des hinterlegten Gegenstandes ab. Wurde Geld deponiert, kann der Schuldner vom Gläubiger die Zustimmung zur Auszahlung des zur Sicherheit geleisteten Geldbetrags nach § 812 I 1 2. Alt BGB (Eingriffskondiktion) verlangen. Er ist Pfandgläubiger einer hinterlegten Sachsicherheit nach § 223 BGB, so dass er den Pfandverkauf nach § 1233 BGB einleiten kann. Gegen einen Bürgen, der die Sicherheit geleistet hat, kann der Schuldner nach § 765 BGB vorgehen. Findet keine Zwangsvollstreckung statt, können die Kosten einer Avalbürgschaft, die geleistet wurde, um die Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urt zu ermöglichen, nach §§ 203 ff durch das Prozessgericht festgesetzt werden; das Vollstreckungsgericht ist dafür nicht zuständig (BGH NJW-RR 08, 515). Sie sind Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 I (BGH NJW 16, 2579 [BGH 10.02.2016 - VII ZB 56/13]). Die Bestimmung über die Art der zu leistenden Sicherheit kann vom erstinstanzlichen Gericht auch dann noch abgeändert werden, wenn der Rechtsstreit schon in der 2. Instanz anhängig ist (BGH NJW 66, 1028). Dagegen ist die Entscheidung über die Höhe der zu leistenden Sicherheit mit Ausnahme des § 319 nicht abänderbar (§ 318).
II. Höhe.
1. In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten.
Rn 3
Hier bemisst sich die Höhe der Sicherheit vorbehaltlich des § 704 II nach den Kosten und dem denkbaren materiellen Schaden, den eine fehlerhafte Zwangsvollstreckung für den Schuldner zur Folge haben kann (München MDR 80, 409). Die ersatzfähige Beeinträchtigung des Schuldners in der Zwangsvollstreckung entspricht nicht in jedem Fall dem Streitwert, der sich allein am Interesse des Gläubigers orientiert. Allerdings wird dieser bei der Bemessung der Sicherheit oft Orientierung bieten können.
2. In vermögensrechtlichen Streitigkeiten.
Rn 4
In die Bemessung der Sicherheitsleistung für Leistungsurteile, die einem Zahlungsanspruch stattgeben, sind einzustellen: der Betrag der titulierten Hauptforderung, Zinsen für Vergangenheit und für die Zukunft (geschätzte sechs Monate bis zur Vollstreckung; Musielak/Voit/Lackmann § 709 Rz 5), weitere Nebenforderungen nach § 4 (zB Mahnkosten) sowie ersatzfähige Prozesskosten des Klägers (zB Gerichts- und Anwaltskosten, solche für ein selbstständiges Beweisverfahren). Allerdings muss die Erbrin...