I. Formeller.
Rn 2
Den besonderen Schutz des § 712 muss der Schuldner beantragen (Wintermeier/Langbehn ZJS 14, 30). Dabei handelt sich um einen Sachantrag nach § 714, der in der letzten mündlichen Verhandlung zu stellen ist (BGH Grundeigentum 09, 1041; BGH FamRZ 03, 598) und dessen tatsächliche Voraussetzungen der Glaubhaftmachung nach § 714 II bedürfen. Seinem Inhalt nach kann der Antrag auf eine bestimmte Schutzmaßnahme beschränkt oder deren Auswahl in das Ermessen des Gerichts gestellt werden. § 308 ist anwendbar. VAw werden dagegen die Interessen des Gläubigers nach Abs 2 abgewogen. Der Schuldner ist jedoch nicht gehindert, dazu Tatsachen vorzutragen und ggf glaubhaft zu machen. Wird der Antrag nicht gestellt, kann das die nachteiligen Folgen des § 719 II haben. Der Antrag ist zurückzuweisen, wenn der Schuldner nicht glaubhaft macht, dass er im Erkenntnisverfahren Vollstreckungsschutz beantragt hat (BGH JurBüro 09, 379). Er ist im Hinblick auf das Berufungsurteil auch in der 2. Instanz zulässig, so wenn das Berufungsgericht ankündigt, die Berufung nach § 522 II durch Beschluss zurückzuweisen (BGH NJW 12, 1292 [BGH 20.03.2012 - V ZR 275/11]). Dagegen kann der Schutzantrag in der Berufungsinstanz nicht für die 1. Instanz nachgeholt werden (BGH DGVZ 08, 12; NJW-RR 06, 1088; Naumbg BeckRS 14, 09224). Ebenso wenig kann ein in der 1. Instanz unterlassener Antrag nach § 712 noch in der 2. gestellt werden (Dresd MDR 15, 1226 [OLG Dresden 25.08.2015 - 5 U 1057/15]; Frankf MDR 09, 229 [BAG 22.10.2008 - 10 AZR 703/07]). Unterbleibt der Antrag in der Berufungsinstanz, obwohl es möglich und zumutbar war, ihn zu stellen, kann die Vollstreckung in der Revisionsinstanz wegen § 719 II grds nicht mehr eingestellt werden (BGH WM 19, 78; WuM 18, 221; 18, 726). Ausnahmen werden gemacht, wenn das Berufungsgericht zu Unrecht von der Anordnung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 abgesehen hat (BGH ZMR 09, 518) oder es dem Schuldner in der Berufungsinstanz aus besonderen Gründen nicht möglich oder zumutbar war, den Schutzantrag zu stellen (BGH WM 78, 46; NZM 14, 707 [BGH 02.07.2014 - XII ZR 65/14]; NJW-RR 11, 705 [BGH 24.11.2010 - XII ZR 31/10]; NJW-RR 08, 1038 [BGH 04.06.2008 - XII ZR 55/08]; s § 719 Rn 8).
II. Materieller.
1. Unersetzbarer Vollstreckungsnachteil.
Rn 3
Die Schutzbedürftigkeit des Schuldners muss sich aus dem Umstand ergeben, dass durch die Vollstreckung ein unersetzbarer Nachteil entsteht. Die Fälle kommen selten vor, weil der Ausgleich eines Vollstreckungsschadens idR monetär kompensiert werden kann und der Schuldner in diesem Fall durch § 717 schadlos gestellt ist. Zu unterscheiden ist der unersetzbare Vollstreckungsnachteil vom schwer ersetzbaren (der Schuldner befindet sich im Ausland), der nicht genügt, um einen Schutzantrag nach § 712 zu begründen. Unersetzbare Nachteile sind etwa die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners durch die Vollstreckung und der Verlust seiner Wohnung durch Räumung (Eisenhardt NZM 99, 785). Dagegen ist ein unersetzbarer Nachteil weder die Verpflichtung zur Räumung von Büroräumen (BGH GuT 13, 217) noch die drohende Insolvenz einer GmbH oder einer Genossenschaft in Liquidation (BGH NJW-RR 87, 62). Auch dass der Gläubiger zahlungsunfähig ist und daher den Anspruch aus § 717 nicht wird erfüllen können, reicht dafür nicht pauschal aus (Hamm MDR 99, 1404; FamRZ 97, 1489). Denn in aller Regel kann der Schuldner auf die Sicherheitsleistung des Gläubigers zugreifen (§§ 709, 708 Nr 4–11, 711), so dass ein nicht zu ersetzender Nachteil für den Schuldner nur in den Fällen des § 708 Nr 1–3 in Betracht kommt, ebenso im Fall des § 708 Nr 10, weil hier ein Schadensersatzanspruch ausgeschlossen ist (§ 717 III).
2. Interessenabwägung.
Rn 4
Neben der Prüfung des unersetzbaren Vollstreckungsnachteils (Rn 3) muss das Gericht in eine Abwägung darüber eintreten, ob die Interessen des Gläubigers an der raschen Durchführung der Vollstreckung die des Schuldners an deren Aufschub oder Beschränkung überwiegen (II). Allein das typische Interesse eines Gläubigers an der raschen Durchführung der Vollstreckung ist insoweit nicht genügend, weil auf das entgegengesetzte Interesse des Schuldners iRd § 712 nur ausnahmsweise Rücksicht genommen wird (MüKoZPO/Götz § 712 Rz 6). Herangezogen werden müssen vielmehr die besonderen Umstände des § 710 (§ 710 Rn 2, 3). Bei einer annähernd ausgeglichenen Interessenlage gebührt den Interessen des Gläubigers im Zweifel der Vorzug, insb bei Unterlassungs- und Auskunftsansprüchen (BGH NJW 95, 197 [BGH 10.10.1994 - II ZR 220/93]). Lehnt der Schuldner eine vom Gläubiger angebotene Zwischenlösung ab, so kann das in der Abwägung gegen ihn sprechen (Ddorf GRUR 79, 188, 189). Den Gläubiger trifft die Darlegungs- und Beweislast. Nicht in den Abwägungsvorgang eingestellt werden darf dagegen außerhalb des Anwendungsbereichs von § 713 die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels (aA Zö/Herget § 712 Rz 2). Denn es wird von der Richtigkeit seiner Entscheidung überzeugt sein und folglich die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels grds verneinen. Von der Interessenabwägung nach S 1 ...