1. Unersetzbarer Vollstreckungsnachteil.
Rn 3
Die Schutzbedürftigkeit des Schuldners muss sich aus dem Umstand ergeben, dass durch die Vollstreckung ein unersetzbarer Nachteil entsteht. Die Fälle kommen selten vor, weil der Ausgleich eines Vollstreckungsschadens idR monetär kompensiert werden kann und der Schuldner in diesem Fall durch § 717 schadlos gestellt ist. Zu unterscheiden ist der unersetzbare Vollstreckungsnachteil vom schwer ersetzbaren (der Schuldner befindet sich im Ausland), der nicht genügt, um einen Schutzantrag nach § 712 zu begründen. Unersetzbare Nachteile sind etwa die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Schuldners durch die Vollstreckung und der Verlust seiner Wohnung durch Räumung (Eisenhardt NZM 99, 785). Dagegen ist ein unersetzbarer Nachteil weder die Verpflichtung zur Räumung von Büroräumen (BGH GuT 13, 217) noch die drohende Insolvenz einer GmbH oder einer Genossenschaft in Liquidation (BGH NJW-RR 87, 62). Auch dass der Gläubiger zahlungsunfähig ist und daher den Anspruch aus § 717 nicht wird erfüllen können, reicht dafür nicht pauschal aus (Hamm MDR 99, 1404; FamRZ 97, 1489). Denn in aller Regel kann der Schuldner auf die Sicherheitsleistung des Gläubigers zugreifen (§§ 709, 708 Nr 4–11, 711), so dass ein nicht zu ersetzender Nachteil für den Schuldner nur in den Fällen des § 708 Nr 1–3 in Betracht kommt, ebenso im Fall des § 708 Nr 10, weil hier ein Schadensersatzanspruch ausgeschlossen ist (§ 717 III).
2. Interessenabwägung.
Rn 4
Neben der Prüfung des unersetzbaren Vollstreckungsnachteils (Rn 3) muss das Gericht in eine Abwägung darüber eintreten, ob die Interessen des Gläubigers an der raschen Durchführung der Vollstreckung die des Schuldners an deren Aufschub oder Beschränkung überwiegen (II). Allein das typische Interesse eines Gläubigers an der raschen Durchführung der Vollstreckung ist insoweit nicht genügend, weil auf das entgegengesetzte Interesse des Schuldners iRd § 712 nur ausnahmsweise Rücksicht genommen wird (MüKoZPO/Götz § 712 Rz 6). Herangezogen werden müssen vielmehr die besonderen Umstände des § 710 (§ 710 Rn 2, 3). Bei einer annähernd ausgeglichenen Interessenlage gebührt den Interessen des Gläubigers im Zweifel der Vorzug, insb bei Unterlassungs- und Auskunftsansprüchen (BGH NJW 95, 197 [BGH 10.10.1994 - II ZR 220/93]). Lehnt der Schuldner eine vom Gläubiger angebotene Zwischenlösung ab, so kann das in der Abwägung gegen ihn sprechen (Ddorf GRUR 79, 188, 189). Den Gläubiger trifft die Darlegungs- und Beweislast. Nicht in den Abwägungsvorgang eingestellt werden darf dagegen außerhalb des Anwendungsbereichs von § 713 die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels (aA Zö/Herget § 712 Rz 2). Denn es wird von der Richtigkeit seiner Entscheidung überzeugt sein und folglich die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels grds verneinen. Von der Interessenabwägung nach S 1 ist die nach S 2 zu unterscheiden. Sie kann in allen Fällen des § 708 getroffen werden, also nicht nur in denen der Nrn 4–11. Die Voraussetzungen des § 712 I 1 müssen außerdem in jedem Fall vorliegen.