I. Allgemeine Wirkung.
Rn 3
Ein Außerkrafttreten der vorläufigen Vollstreckbarkeit eines Urteils (oder Vollstreckungsbescheids nach § 700) ordnet Abs 1 im Zeitpunkt der Verkündung eines Urteils an, das die Entscheidung der Vorinstanz im Rechtsmittel-, Rüge (§ 321a) oder Einspruchsverfahren in der Hauptsache oder in der Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 718 aufhebt oder abändert. Die Wirkungslosigkeit eines Urteils in Folge einer Erledigungserklärung steht der Aufhebung iSv § 717 I nicht gleich (BGH NJW 88, 1268). Die vorläufige Vollstreckbarkeit endet in diesem Fall kraft Gesetzes, im Fall der Abänderung nur in deren Umfang und ohne Rücksicht auf deren Grund (Ddorf NJW 74, 1714). Die aufhebende oder abändernde Entscheidung muss daher nicht ausdrücklich für vorläufig vollstreckbar erklärt werden; allerdings ist das zweckmäßig, weil die Wirkungen der §§ 775, 776 sonst erst mit der Rechtskraft des Urteils eintreten. Außerkrafttreten der vorläufigen Vollstreckbarkeit bedeutet, dass die Vollstreckung ab der Verkündung des Urteils unzulässig wird und ihre Fortsetzung eine unerlaubte Handlung darstellen würde. Wurde vorläufige Vollstreckbarkeit angeordnet, ist nach §§ 775, 776 zu verfahren. Wird ein Berufungsurteil, durch das ein erstinstanzliches Urt aufgehoben worden ist, in der Revisionsinstanz selbst wieder aufgehoben, lebt die Vollstreckbarkeit des erstinstanzlichen Urteils nicht wieder auf (KG NJW 89, 3025; Boemke-Albrecht NJW 91, 1333; aA Frankf NJW 90, 721 [OLG Frankfurt am Main 21.12.1989 - 1 U 136/85]). Anders ist das nur, wenn das erstinstanzliche Urt ausdrücklich wiederhergestellt wird (KG NJW 89, 3025 [KG Berlin 11.07.1989 - 1 W 630/89]). Denn nur darin liegt eine ausdrückliche Bestätigung der Vorentscheidung. In diesem Fall richtet sich die Vollstreckbarkeit weiter nach der erstinstanzlichen Entscheidung, und zwar auch in dem Fall, dass das bestätigende Urt später unter Zurückverweisung wieder aufgehoben wird (MüKoZPO/Götz § 717 Rz 6; aA Saenger JZ 97, 222).
II. Einzelfälle.
Rn 4
Allein Urteile, die die Entscheidung in der Hauptsache bzw die Vollstreckbarkeitserklärung aufheben oder abändern und auf einen Einspruch oder ein Rechtsmittel ergehen, entfalten die Wirkung des Abs 1. Das Zwischenurteil eines Berufungsgerichts nach §§ 280, 304 ist daher noch kein aufhebendes Urt (so schon RGZ 78, 238), ebenso wenig ein Vorbehaltsurteil. Deshalb bleibt die vorläufige Vollstreckbarkeit des Endurteils bis zu dessen Rechtskraft bestehen und tritt nicht etwa bereits mit Verkündung des Zwischen- oder Vorbehaltsurteils außer Kraft (Musielak/Voit/Lackmann § 717 Rz 2). Wird ein rechtskräftiges Vorbehaltsurteil im Nachverfahren aufgehoben, kommt Abs 1 nicht zur Anwendung. Denn das Urt ist in diesem Fall endgültig vollstreckbar, nicht nur vorläufig (BGHZ 69, 270, 272 f). Allerdings kommt es regelmäßig zur selben Rechtswirkung wie im Fall von Abs 1, wenn nämlich mit der Verkündung des vorläufig vollstreckbaren aufhebenden Urteils im Nachverfahren die endgültige Vollstreckbarkeit des Vorbehaltsurteils außer Kraft tritt (MüKoZPO/Götz § 717 Rz 5). Auf Feststellungsurteile ist Abs 1 ebenso wenig anwendbar (BAG NJW 89, 3173) wie auf § 771 III (BGHZ 95, 10).