Rn 6
Zugunsten des Schuldners wirken sich folgende Faktoren aus, die in seiner Person begründet sind: sein Alter (LG Essen WuM 68, 132, 133), körperlicher Zustand (Behinderung: LG München WuM 89, 412; Schwangerschaft: WuM 68, 51), Familienverhältnisse (Zahl der Kinder: LG Heilbronn ZMR 66, 278), das sonstige soziale Umfeld (LG Mannheim WuM 90, 307, 308; Gefährdung des Arbeitsplatzes, Schulwechsel oder bevorstehende Prüfung der Kinder: LG Krefeld WuM 10, 302, 305; des Weiteren Musielak/Voit/Lackmann § 721 Rz 5) sowie eine verzögerte Neubaufertigstellung (LG Braunschweig WuM 73, 82). Des Weiteren sind für den Schuldner folgende objektive Faktoren in die Interessenabwägung einzustellen: die Dauer der Mietzeit (LG Berlin NJW-RR 89, 1358 [LG Berlin 23.06.1989 - 64 S 160/89]), der Eintritt in ein neues Mietverhältnis (Musielak/Voit/Lackmann § 721 Rz 5) und die Lage am Wohnungsmarkt (LG Essen WuM 92, 202). Das wesentliche Merkmal, das die Entscheidung über die Gewährung, Dauer oder Verlängerung der Räumungsfrist in der Praxis beeinflusst, ist das subjektive Bemühen und die objektive Möglichkeit des Schuldners, eine Ersatzwohnung zu finden (BGH NJW 90, 2823 [BGH 27.06.1990 - XII ZR 73/90]; Kobl MDR 13, 836 [OLG Koblenz 18.06.2013 - 3 U 632/13] für das Berufungsverfahren). Dass den Schuldner insoweit die Pflicht trifft, sich um eine neue Wohnung zu bemühen, ist unzweifelhaft (MüKoZPO/Götz § 721 Rz 12), ab welchem Zeitpunkt sie entsteht, hängt von den Umständen des jeweiligen Falls ab. Der Schuldner trägt insoweit die Beweislast (LG Tübingen WuM 15, 566). Der Zeitpunkt und die Intensität der vom Mieter entfalteten Bemühungen wirken allerdings nur dann zu seinen Lasten, wenn die Suche nach Ersatzwohnraum im Falle rechtzeitiger und hinreichend intensiver Bemühungen zum Erfolg geführt hätte (LG Berlin WuM 18, 383 [BGH 21.03.2018 - VIII ZR 68/17]). Ist die Kündigung offenkundig wirksam, muss sich der Schuldner unverzüglich nach dem Zugang der Kündigungserklärung nach Ersatzwohnraum umtun, sonst erst nach dem Eintritt der Rechtskraft des Räumungsurteils (LG Wuppertal WuM 96, 429, 430; LG Hamburg WuM 88, 31). Auch die Aussichten der Berufung können in die Bewertung mit einbezogen werden (LG Hamburg WuM 87, 62). Ein zwischenzeitlicher Umzug kann dem Schuldner nur ausnahmsweise bei besonderer Schutzwürdigkeit des Gläubigers angesonnen werden (LG Braunschweig WuM 73, 82; LG Köln ZMR 73, 89). Diese ergibt sich nicht bereits aus dem Umstand, dass der Gläubiger die Wohnung bereits weitervermietet hat; denn auf die Gewährung und uU auch die Verlängerung einer Räumungsfrist nach § 721 muss er sich einstellen (MüKoZPO/Götz § 721 Rz 12 aE).