Rn 4
Abs 1 erfasst seinem Wortlaut nach nur einen bestimmten Entscheidungstyp, das Urt. Dieser Begriff muss jedoch großzügig ausgelegt werden. Erfasst werden auch ausländische Entscheidungen, die Vollstreckungsbescheiden entsprechen (Köln OLGR 05, 83) sowie insolvenzrechtliche Titel (BGH NJW 93, 2312, 2316 [BGH 27.05.1993 - IX ZR 254/92]). Angesprochen sind schließlich auch Kostenfestsetzungsbeschlüsse anerkannter Urteile (RGZ 109, 383, 387). Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift scheiden dagegen vollstreckbare öffentliche Urkunden und gerichtliche Vergleiche als Grundlage für eine Vollstreckungsklage aus (Hambg NJW-RR 13, 629 [OLG Hamburg 10.01.2013 - 6 U 68/09]). Denn in § 795 gibt es keinen Verweis auf § 722 (MüKoZPO/Gottwald § 722 Rz 23: ›rechtspolitisch eher verfehlt‹; aA Zö/Geimer § 722 Rz 10). Ihre Vollstreckbarkeit lässt sich freilich durch entsprechende Erklärung aufgrund zahlreicher EG-Verordnungen und Staatsverträge herstellen (zB Art 57, 58 EuGVO). Urteile iSv § 722 I sind des Weiteren weder Titel, die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangen sind, weil sie in der Hauptsache nicht der Rechtskraft fähig sind, noch ausländische Vollstreckbarkeitserkärungen. Die sog Doppelexequatur ist unzulässig, weil sie keine sachliche Entscheidung ist, sondern ihrem Inhalt nach die Vollstreckbarkeit des ausländischen Titels begründet (Musielak/Voit/Lackmann § 722 Rz 3). Das Verbot der Doppelexequatur gilt auch für ausländische Schiedssprüche (BGH NJW 09, 2826 [BGH 02.07.2009 - IX ZR 152/06] mit Anm Geimer IPRax 10, 346 f; Borges LMK 10, 308128; MüKoZPO/Gottwald § 722 Rz 33).
Rn 5
Die Urteile müssen von einem ausländischen Gericht stammen. Was dieses Tatbestandsmerkmal anbelangt, bedarf die Vorschrift der Konkretisierung in dreifacher Hinsicht: Urteile der Gerichte der ehemaligen DDR konnten in der Bundesrepublik unmittelbar vollstreckt werden, weil die DDR nicht als Ausland galt (BVerfGE 36, 1, 17; 27, 57, 64 = NJW 74, 893; BGHZ 84, 17, 19 = NJW 82, 1947; Hamm FamRZ 91, 1078). §§ 722, 723 waren folglich weder direkt noch analog anwendbar (BGHZ 84, 17, 19 = NJW 82, 1947). Seit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik ergibt sich das aus Art 18 EinigVtr v 31.8.90. Allerdings steht die Vollstreckung von Titeln aus der ehemaligen DDR nach Art 18 I 2 EinigVtr unter dem Vorbehalt einer Überprüfung auf rechtsstaatliche Grundsätze. Sie erfolgt auf eine Erinnerung des Schuldners nach § 766 und richtet sich inhaltlich nach § 328 Nr 1–4 (BGH NJW 97, 2051 [BGH 22.01.1997 - XII ZR 207/95]). Die Umrechnung eines auf DDR-Mark lautenden Vollstreckungstitels richtet sich nach § 10 V des Vertrages über die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion v 18.5.90 (BGBl II, 17). Nach dessen Anlage I Art 7 § 1 werden Löhne, Gehälter, Stipendien, Mieten, Pachten und andere regelmäßige Zahlungen, die nach dem 30.6.90 fällig werden, im Verhältnis 1:1 eingesetzt; andere Verbindlichkeiten, die vor dem 1.7.90 begründet wurden, im Verhältnis 2:1 (Grothe FamRZ 04, 718; aA Hamm FamRZ 04, 716). Europäische Entscheidungen, namentlich solche des EuGH, des Europäischen Gerichts 1. Instanz, der EU-Kommission sowie weiterer EU-Behörden sind nach Art 244, 256 EGV, 159, 164 EAGV, 44, 92 EGKSV und Art 110 EWR-Abkommen wie inländische Urteile vollstreckbar, sofern der Bundesjustizminister dazu die Vollstreckungsklausel erteilt hat (BGBl II, 1961, 50; II 1994 588; dazu BVerfG WM 87, 772). Entscheidungen gegen einen ausländischen Staat können nach dem Europäischen Übereinkommen über Staatenimmunität v 16.5.72 (BGBl II, 1990, 34) grds nicht vollstreckt und damit auch nicht für vollstreckbar erklärt werden.