Rn 1
Der Grundsatz, dass ausländische Titel im Inland nicht ipso iure vollstreckbar sind, sondern ihnen die Vollstreckbarkeit im Inland gesondert zuerkannt werden muss (sog Exequatur-Verfahren), war für die grenzüberschreitende Vollstreckung ausländischer Gerichtsentscheidungen in Deutschland lange Zeit charakteristisch. Mit der Neufassung der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.12 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v 26.11.14 (Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung, EuGVVO, ABl L 351, 1), die am 10.1.15 in Kraft getreten ist, ist eine Exequatur für Entscheidungen von Gerichten der EU-Mitgliedstaaten nicht mehr erforderlich (Art 39 ff EuGVVO; Fawzy DGVZ 15, 1; Rengeling/Middeke/Gellermann/Mankowski/Hölscher/§ 38 Rz 42–44). Sie sind vielmehr ohne weiteres im Inland vollstreckbar, ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann. Nicht erforderlich ist das Vollstreckbarerklärungsverfahren auch für unbestrittene Forderungen nach der EuVTVO. Inwieweit umgekehrt ein nach deutschem Recht noch nicht rechtskräftiges, aber für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urt im Ursprungsmitgliedstaat vollstreckt werden kann, ist zz Gegenstand eines Vorabentscheidungsersuchens des BGH an den EuGH nach Art 267 I lit a AEUV (BGH WM 18, 383). §§ 722, 723 sind nur noch für die Entscheidungen von ausländischen Gerichten solcher Staaten anwendbar, die nicht der EU angehören, namentlich für solche aus den asiatischen Ländern, Kanada, Südafrika und den Vereinigten Staaten (zur Vollstreckung von Titeln aus US-Sammelklagen Koch/Zekoll ZEuP 10, 107, 116 f; zur Vollstreckung von schweizerischen Urt nach dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen v 30.10.07 – Lugano-Übereinkommen – LugÜ Ddorf ZInsO 15, 472), vorausgesetzt, es bestehen mit diesen Ländern keine besonderen Übereinkünfte, wie das namentlich bei Unterhaltstiteln der Fall ist. In Familiensachen richtet sich das Klauselerteilungsverfahren für ausländische Entscheidungen nach §§ 16 ff des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes (IntFamRVG) v 26.1.05 (BGBl I, 1632). Die Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheidungen regelt nun § 110 FamFG. Sie setzt deren Anerkennung nach §§ 107 ff FamFG voraus. In Nachlasssachen verlangen § 39 ff der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO v 27.8.15, ABl L 201, 107) die grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung von erbrechtlichen Entscheidungen von EU-Mitgliedstaaten im Inland. §§ 3 ff des Gesetzes zum Internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften v 29.6.15 (IntErbRVG, BGBl I, 1042) bewerkstelligen diese va nach den Vorschriften des AUG und AVAG (Dutta ZEV 15, 493, 497).
Rn 1a
Durch Art 2 des Gesetzes zur Durchführung des Haager Übereinkommens vom 2.7.19 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zur Änderung der ZPO, des BGB, des WEG sowie des Gesetzes zur Modernisierung des Strafverfahrens (BGBl I 2022, 1982) wurden die Gesetzesüberschrift sowie Abs 2 geändert und Abs 3, 4 neu angefügt. Gem Art 9 S 2 dieses Gesetzes tritt die Änderung an dem Tag in Kraft, an dem das Haager Übereinkommen vom 2.7.19 für die EU mit Ausnahme des Königreichs Dänemark in Kraft tritt (Art 28), Das BMJ gibt den Tag des Inkrafttretens im BGBl bekannt.