I. Ausgangspunkt
Rn 2
In der Vergangenheit stellte § 736 aF eine Nahtstelle zwischen Personengesellschaftsrecht und Prozessrecht dar. Obgleich die Norm des § 736 aF seit 1898 (damals § 670b CPO) unverändert war, hat sie seit 20 Jahren durch die Rspr eine dramatische Umdeutung contra legem hinnehmen müssen.
Rn 3
Ausgangspunkt der Norm war der Grundsatz des § 750 I 1, dass eine Zwangsvollstreckung nur gegen denjenigen möglich ist, der im Titel oder in der beigefügten Vollstreckungsklausel als Vollstreckungsschuldner genannt wird. § 736 enthielt deshalb eine Regelung, gegen wen ein Titel erforderlich ist, wenn Vollstreckungsschuldner eine Gesamthand war, wenn also eine Rechtszuständigkeit mehrerer vorlag. Der Gesetzgeber hatte die GbR als nicht rechts- und parteifähige Gesamthand ausgestaltet. Da die GbR also bis zum Jahre 2001 nicht klagen oder verklagt werden konnte, musste § 736 die Konsequenz aus der Rechtszuständigkeit der Gesamthänder ziehen und vorschreiben, dass eine Zwangsvollstreckung nur aus einem Vollstreckungstitel möglich ist, der sich gegen alle Gesellschafter richtete. Ein Titel gegen die Gesellschaft war prozessrechtlich nicht möglich und vollstreckungsrechtlich nicht ausreichend. Der Wortlaut der §§ 735, 736 war insofern eindeutig. Die Rspr hat diese Zusammenhänge im Jahr 2001 gesellschaftsrechtlich abgeändert.
II. Die BGH-Entscheidung ›Weißes Ross‹.
Rn 4
Der II. Zivilsenat des BGH hat mit Urt vom 29.1.01 die GbR für rechts- und parteifähig erklärt (BGHZ 146, 341 = EWIR 01, 341 m Anm Prütting). Diese Entscheidung war gesellschaftsrechtlich von der Wissenschaft gut vorbereitet gewesen und hat die Einordnung der GbR von einer Gesamthand hin zu einem Rechtssubjekt ohne Rechtspersönlichkeit geschaffen. Diese materiell-rechtliche Wendung traf in den §§ 50, 735, 736 ZPO aF auf eine prozessual damit unvereinbare Rechtslage (ablehnend deshalb aus prozessualer Sicht St/J/Bork § 50 Rz 23; Prütting FS Wiedemann 03, 1177; Stürner JZ 03, 44 [BVerfG 02.09.2002 - 1 BvR 1103/02]). Denn ein rechts- und parteifähiges Rechtssubjekt verlangt in der Zwangsvollstreckung einen Titel gegen dieses Rechtssubjekt selbst und nicht gegen seine Mitglieder. Der Wortlaut des § 736 wurde also contra legem in sein Gegenteil verwandelt. Die Schwierigkeiten der im Jahr 2001 entstandenen neuen Lage waren umso dramatischer, als die Entscheidung ›Weißes Ross‹ vom 29.1.01 ein wirkungsloses und nicht existentes Urteil war, weil es sich gegen eine nicht existente Partei gerichtet hatte (zu den Einzelheiten Prütting FS Grunewald 21, S 881, 882). Der Gesetzgeber hatte dennoch über 20 Jahre hinweg § 736 unverändert gelassen und erst im Jahr 2021 die entstandenen Widersprüche aufgelöst.
III. Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG).
Rn 5
Nunmehr hat der Gesetzgeber das Personengesellschaftsrecht vollkommen neu geordnet (Gesetz vom 10.8.21, BGBl I 3436) und damit die Konsequenzen aus der Entscheidung ›Weißes Ross‹ gezogen. Er hat § 736 nF der materiellen Rechtslage angepasst. Der neue § 713 BGB nF ordnet das Gesellschaftsvermögen der nunmehr rechtsfähigen GbR zu. Die Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen der GbR ist gem § 722 I BGB nF nur noch mit einem gegen die Gesellschaft lautenden Titel möglich. Aus diesem Titel gegen die Gesellschaft ist eine Zwangsvollstreckung gegen die Gesellschafter nicht möglich (§ 722 II BGB nF).