I. Materieller.
Rn 3
In materieller Hinsicht setzt § 737 einen Nießbrauch voraus, der am ganzen Vermögen des Schuldners besteht. Der Nießbrauch an Sachen oder einzelnen Rechten ist davon ebenso wenig umfasst wie der Nießbrauch an einzelnen Vermögensteilen, solange diese nicht miteinander das gesamte Vermögen ausmachen (s Rn 2, für die Belastung der Erbteile durch alle Miterben; MüKoZPO/Heßler § 737 Rz 2). Auch gehören zu den Gegenständen, die dem Nießbrauch unterliegen, nicht die dem Nießbraucher zustehenden Erzeugnisse und sonstige Bestandteile, insb Früchte nach § 99 BGB, auch mittelbare rechtliche nach § 99 III BGB (zB Miet- oder Pachtzinsforderungen), die in sein Eigentum fallen (RGZ 138, 69, 71 f; St/J/Münzberg § 737 Rz 5). An die Stelle von verbrauchbaren Sachen nach § 92 BGB, die ebenfalls in das Eigentum des Nießbrauchers übergehen, tritt der Wertersatzanspruch nach § 1086 S 2 BGB. Ihn kann der Gläubiger pfänden lassen (Zö/Seibel § 737 Rz 6). Der Nießbrauch an einem Vermögen wird durch einzelne dingliche Verschaffungsakte an jedem zum Vermögen gehörenden Gegenstand bestellt, § 1085 S 1 BGB, wobei nach hM bereits die Nießbrauchsbestellung am ersten Vermögensgegenstand die Wirkungen der §§ 1086 ff BGB auslöst, wenn sie in der Absicht vorgenommen wird, später noch das ganze Vermögen zu belasten (PWW/Ahrens § 1086 BGB Rz 1 ff). Es genügt, wenn in diesem Zeitpunkt der Rechtsgrund des Anspruchs des Gläubigers des Bestellers gelegt worden ist, die Forderung kann, etwa wenn sie bedingt oder befristet ist, durchaus erst später entstehen oder fällig werden (Zö/Seibel § 737 Rz 9).
II. Formeller (einschließlich Rechtsbehelfe).
Rn 4
In formeller Hinsicht verlangt § 737 sowohl einen Leistungstitel gegen den Besteller als auch einen Duldungstitel gegen den Nießbraucher (s Rn 1). Nur beide gemeinsam berechtigen zur Vollstreckung in die dem Nießbrauch unterliegenden Gegenstände (Schuschke/Walker/Schuschke § 737 Rz 5). Dabei ist der Nießbraucher selbst Vollstreckungsschuldner. Allein aufgrund des Leistungstitels gegen den Besteller kann nicht in den Nießbrauch vollstreckt werden (BGH NJW 03, 2164, 2165 [BGH 14.03.2003 - IXa ZB 45/03]; wohl aber bei einer persönlichen Schuld nach § 1088 BGB in das Privatvermögen des Nießbrauchers). Geschieht dies dennoch, kann der Nießbraucher dem nach § 809 widersprechen, wenn er Gewahrsam hat, sonst aber mit der Erinnerung nach § 766 vorgehen (Musielak/Voit/Lackmann § 737 Rz 6). Ebenso wenig genügt allein der Duldungstitel gegen den Nießbraucher, weil hieraus nur in dessen Privatvermögen vollstreckt werden könnte. Sein die Zwangsvollstreckung hinderndes materielles Recht kann der Nießbraucher mit der Drittwiderspruchsklage nach § 771 geltend machen. Zu den Rechtsschutzmöglichkeiten, wenn Nießbraucher und Eigentümer nicht personenidentisch sind, s Rn 2 aE.
Rn 5
Das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung gegen den Nießbraucher entfällt freilich, wenn der Nießbrauch erst bestellt wird, nachdem die bereits zuvor zur Entstehung gelangte Forderung des Gläubigers des Bestellers rechtshängig geworden ist. Der Titel gegen den Besteller kann in diesem Fall nämlich nach §§ 727, 325 auf den Nießbraucher umgeschrieben werden, sofern der Gegenstand, an dem der Nießbrauch besteht, nach § 265 streitbefangen ist (Schuschke/Walker/Schuschke § 737 Rz 3). Soweit diese Vorschrift nicht eingreift, bleibt § 737 bei persönlichen Herausgabeansprüchen sowie bei Geldforderungen anwendbar (St/J/Münzberg § 737 Rz 4). Ein Duldungstitel gegen den Nießbraucher ist schließlich auch dann entbehrlich, wenn es um die Zwangsversteigerung eines Grundstücks geht, weil sie dessen Nutzungsrecht nicht beeinträchtigt (MüKoZPO/Heßler § 737 Rz 14). Auch die Zwangsverwaltung kann der persönliche Gläubiger, der über keinen Duldungstitel gegen den Nießbraucher verfügt, ohne dessen Vorlage beantragen. Sie ist aber auf die Rechte beschränkt, die der Eigentümer ggü dem Nießbraucher noch hat. Der Zwangsverwalter hat dabei nur eine Überwachungsfunktion nach §§ 1051 ff BGB (Köln NJW 57, 1769 [OLG Köln 14.08.1957 - 1 W 38/57]).