Prof. Dr. Markus Gehrlein
I. Voraussetzungen.
Rn 5
Die Interventionswirkung hängt davon ab, dass die Streitverkündung formgerecht erklärt wurde (§ 73), den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 72 entspricht, für den Streitverkündeten die Möglichkeit einer Einflussnahme auf den Prozess bestand (BGH NJW 82, 281 f [BGH 08.10.1981 - VII ZR 341/80]; BGH NJW 15, 559 Rz 13) und vor Abschluss des Folgeprozesses eine rechtskräftige Sachentscheidung erging. Die Interventionswirkung tritt im Folgeprozess zwar nicht ein, soweit der dem Rechtsstreit im Vorprozess nicht beigetretene Streitverkündete im Falle seines Beitritts nach § 67 gehindert gewesen wäre, auf den Verlauf des Vorprozesses Einfluss zu nehmen. Tritt der Streitverkündete dem Rechtsstreit im Vorprozess jedoch nicht aufseiten des Streitverkünders, sondern aufseiten von dessen Prozessgegners bei, kommen ihm die sich aus § 67 ergebenden Beschränkungen der Interventionswirkung nicht zugute (BGH NJW 21, 1242 Rz 57). Die Interventionswirkung hängt nicht davon ab, dass der Prozess zum Nachteil des Streitverkünders ausging (BGHZ 70, 187, 189 = NJW 78, 643; BGHZ 65, 127, 131 = NJW 76, 39; BGHZ 36, 212, 214 = NJW 62, 387; aA Zö/Vollkommer Rz 6). Eine Streitverkündung ist auch dann zulässig, wenn der vermeintliche Anspruch gegen den Dritten, dessentwegen die Streitverkündung erfolgt, mit dem im Erstprozess vom Streitverkünder gemachten Anspruch in einem Verhältnis der wechselseitigen Ausschließung (Alternativverhältnis) steht. Soweit nur eine gesamtschuldnerische Haftung in Betracht kommt, ist eine Streitverkündung dagegen unzulässig (BGH NJW 15, 559 Rz 15). Das Alternativverhältnis kann auch aus tatsächlichen, nicht nur rechtlichen Gründen bestehen (BGH NJW 15, 559 [BGH 18.12.2014 - VII ZR 102/14] Rz 16 ff). Diese Voraussetzungen sind nur zu prüfen, sofern kein Beitritt erklärt wurde. Ist der Streitverkündete hingegen beigetreten, hatte eine Rüge nach § 71 keinen Erfolg oder wurde die Beteiligung des Streitverkündeten von keiner Partei beanstandet, entfällt eine weitere Prüfung (vgl oben Rn 3). Sind der Erst- und der Folgeprozess gleichzeitig anhängig, kann der Folgeprozess im Blick auf die Interventionswirkung nach § 148 ausgesetzt werden.
II. Rechtsfolgen.
Rn 6
Die Streitverkündung löst im Verhältnis zwischen Streitverkünder und Streitverkündetem die Interventionswirkung des § 68 aus. Danach kann der Dritte ggü der Hauptpartei in einem späteren Prozess keine Einwendungen erheben, die im Vorprozess geltend gemacht werden konnten (Brandbg NJW 21, 78 [BGH 22.07.2020 - XII ZB 228/20] Rz 21). Die Interventionswirkung, die nach Rücknahme der Streitverkündung entfällt (Köln OLGR 05, 219, 221), greift nach dem Wortlaut des Abs 3 (›gegen‹) nur zugunsten und nicht zuungunsten des Streitverkündenden ein. Sie wirkt also nur gegen den Dritten, nicht den, der ihm den Streit verkündet hat (BGH NJW 15, 1824 [BGH 27.01.2015 - VI ZR 467/13] Rz 7). Der Gegner des Streitverkünders ist von der Interventionswirkung nicht betroffen. Die Interventionswirkung bestimmt sich nach dem frühesten Zeitpunkt, zu dem im Anschluss an die Streitverkündung der Beitritt möglich war (Abs 3; BSG NJW 12, 956 [BSG 13.09.2011 - B 1 KR 4/11 R] Rz 11). Tritt der Streitverkündete tatsächlich bei, ist der möglicherweise spätere Zeitpunkt des Beitritts ohne Bedeutung. Erfolgte die Streitverkündung zu einem Zeitpunkt, in dem der Streitverkündete – etwa nach Schluss der mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz – auf den Rechtsstreit keinen Einfluss mehr nehmen konnte, kommt eine Interventionswirkung nicht mehr zum Tragen (BGH NJW 82, 281 f [BGH 08.10.1981 - VII ZR 341/80]).