I. Vollstreckungsauftrag.
Rn 2
Voraussetzung des § 754 ist in formeller Hinsicht ein wirksamer schriftlicher, elektronischer oder mündlicher Vollstreckungsauftrag (s § 753 Rn 5 ff) sowie die Vorlage der vollstreckbaren Ausfertigung nach § 724, die auch elektronisch übermittelt werden kann. Nur soweit eine Klausel ausnahmsweise nicht erforderlich ist (s § 724 Rn 3), ist die Übergabe des Titels ausreichend. Die Befugnisse des GV nach § 754 entfallen mit der Rücknahme des Vollstreckungsauftrags (s § 753 Rn 11). Erfolgt die Rücknahme allerdings nur vorübergehend, berührt das die Kompetenz des GV nach dieser Vorschrift nicht.
II. Befugnisse des GV.
1. Entgegennahme von freiwilligen Zahlungen und Leistungen.
Rn 3
Die Befugnis des GV zur Annahme freiwilliger Leistungen entsteht kraft Gesetzes mit der Erteilung des Vollstreckungsauftrags. Sie besteht unabhängig vom Willen des Gläubigers (MüKoZPO/Heßler § 754 Rz 26) und hat aufgrund ihres hoheitlichen Charakters nicht die Rechtswirkung der §§ 362 ff BGB (BGH NJW 09, 1085 [BGH 29.01.2009 - III ZR 115/08]). Wollte der Gläubiger die Ermächtigung des GV ausschließen, wäre sein Vollstreckungsauftrag unwirksam. Zur Erbringung freiwilliger Zahlungen, nämlich zur Begleichung der Hauptschuld mit Zinsen, Kosten und Vollstreckungskosten, hat der GV den Schuldner einer titulierten Geldschuld ohnehin vor Einleitung der Zwangsvollstreckung nach § 59 II 1 GVGA aufzufordern (Schuschke/Walker/Walker § 754 Rz 4). Nach § 60 I 1 GVGA ist der GV nicht nur gehalten, die vollständige geschuldete Leistung anzunehmen, sondern auch Teilleistungen des Schuldners oder eines Dritten auf die fremde Schuld zu akzeptieren (s aber § 267 II BGB; BGH NJW 81, 2244 [BGH 24.06.1981 - IVa ZR 104/80]), wobei der Schuldner kein Recht zur Tilgungsbestimmung nach § 366 I BGB hat (BGH NJW 99, 1704 [BGH 23.02.1999 - XI ZR 49/98]). Umgekehrt muss er die gesamte Leistung auch dann annehmen, wenn der Gläubiger nur eine Teilvollstreckung beantragt hat (s § 753 Rn 8). Bei der Vollstreckung für eine Mehrzahl von Gläubigern ist der GV nur dann zur Annahme einer Teilleistung des Schuldners berechtigt, wenn dieser mit deren verhältnismäßiger Teilung unter allen Gläubigern einverstanden ist, s § 117 II GVGA.
Rn 4
Grds darf der GV aber keine andere als die geschuldete Leistung an Erfüllungs statt annehmen, wenn dem Schuldner das im Titel nicht bereits zur Abwendung der Vollstreckung nachgelassen ist, § 60 II 1 GVGA (Ausnahme: Bar- und Verrechnungsschecks des Schuldners). Wohl aber muss er die freiwillige Leistung des Schuldners auch dann entgegennehmen, wenn der Titel sich auf die Leistung an einen Dritten richtet (MüKoZPO/Heßler § 754 Rz 35). Freiwillig ist die Zahlung oder sonstige Leistung nur dann, wenn sie ohne Vorbehalt und Bedingung erfolgt. Sonst muss der GV sie zurückweisen. Bei der Leistung des Schuldners zur Abwendung der Vollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urt (s § 717 II) handelt es sich nach hM um eine freiwillige nach § 754 (Musielak/Voit/Lackmann § 754 Rz 3; aA St/J/Münzberg § 708 Rz 7). Allerdings hat sie als reine ›Abwehrleistung‹ nach hM keine materiell-rechtliche Erfüllungswirkung (s § 708 Rn 3). Die Aufrechnung des Schuldners gegen den Vollstreckungsanspruch stellt keine freiwillige Leistung dar. Denn der GV darf den Bestand der vom Schuldner zur Aufrechnung gestellten Forderung nicht überprüfen (MüKoZPO/Heßler § 754 Rz 31).
2. Befugnisse des GV zur Herbeiführung einer gütlichen Einigung.
Rn 5
Der GV nimmt nach § 754 nicht nur freiwillige Leistungen des Schuldners entgegen, er ist im Verhältnis zum Gläubiger auch ermächtigt, über das Empfangene Quittungen auszustellen und die vollstreckbare Ausfertigung herauszugeben (s § 757 I), wenn in vollem Umfang Erfüllung eingetreten ist. Weitergehende Befugnisse, für den Gläubiger tätig zu werden oder mit Wirkung für oder gegen ihn Erklärungen abzugeben, räumt dem GV nunmehr Abs 2 ein. Hiernach kann der GV mit dem Schuldner nach § 91 III GVGA Zahlungsvereinbarungen nach § 802b treffen (s Rn 1; Hergenröder DGVZ 12, 105; Schwörer DGVZ 11, 77). Nach § 813a darf der GV gegen Ratenzahlung des Schuldners ausnahmsweise die Verwertung gepfändeter Sachen aufschieben, vorausgesetzt der Gläubiger widerspricht dem nicht. Bei Erfolglosigkeit der Pfändung kann er des Weiteren nach § 806b Teilbeträge einziehen. Wird der GV auf der Grundlage von § 754 aktiv, wird er hoheitlich tätig und handelt nicht als privatrechtlicher Vertreter des Gläubigers. Das gilt auch für seine Mitwirkung an einer Zahlungsvereinbarung nach § 802b.
III. Rechtsfolgen bei Verstoß und Rechtsbehelf.
Rn 6
Gegen die Verweigerung der Entgegennahme der freiwilligen Zahlungen und Leistungen durch den GV oder ihrer Weiterleitung an den Gläubiger, sind Schuldner und Gläubiger erinnerungsbefugt nach § 766. Sieht der Gläubiger trotz der freiwilligen Leistung des Schuldners die titulierte Forderung für nicht erfüllt an und lehnt es der GV ab, die Vollstreckung einzuleiten, steht dem Gläubiger dagegen ebenfalls die Erinnerung nach § 766 offen, ebenso dem Schuldner, wenn ihm der GV dessen freiwillige Leistung nicht quittiert (Schuschke/Walker/Walker § 754 Rz 15).