I. Vollstreckbare Ausfertigung im Besitz des GV.
Rn 7
Sowohl für den Vollstreckungszugriff als auch für die Vornahme von Handlungen nach Abs 1 benötigt der GV, um sich zu legitimieren, die vollstreckbare Ausfertigung (Hamm Rpfleger 89, 467). Der Dienstausweis des GV nach § 5 GVO bezeugt dagegen nur, dass er GV ist und in welchem Amtsbezirk er tätig ist (Schuschke/Walker/Walker § 754 Rz 17). Kann er die vollstreckbare Ausfertigung auf Verlangen nicht vorweisen, darf er weder Vollstreckungshandlungen vornehmen noch freiwillige Zahlungen oder Leistungen des Schuldners entgegen nehmen oder quittieren. In beiden Bereichen handelt der GV hoheitlich. Erforderlich ist, dass der GV an der vollstreckbaren Ausfertigung Besitz hat und sie bei der Vollstreckung auf Verlangen vorweisen kann, § 31 V GVGA. Ist die Klausel entbehrlich (s § 724 Rn 3), genügt allein der Besitz der vollstreckbaren Ausfertigung. Im Unterschied zu § 754 setzt die Tätigkeit des GV nicht zwingend einen Vollstreckungsauftrag voraus. Liegt ein solcher jedoch vor und wird er zurückgenommen, hat das auf die Ermächtigung nach § 755 keinen Einfluss, vorausgesetzt der GV verfügt nach wie vor über die vollstreckbare Ausfertigung. Solange das der Fall ist, wird die Ermächtigung ggü dem Schuldner und Dritten unwiderlegbar vermutet (ThoPu/Seiler § 754 Rz 10).
II. Befugnisse des GV.
Rn 8
Die Ermächtigung des GV richtet sich auf die Einleitung und Durchführung von recht- und zweckmäßigen Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner und dritte Personen. Ihnen ggü können Einwendungen gegen den Vollstreckungsauftrag nach § 755 S 2 nicht geltend gemacht werden, in Abweichung von § 169 BGB sogar dann nicht, wenn ihnen diese bekannt waren oder sie sie hätten kennen müssen (Zö/Seibel § 754 Rz 6; s aber Rn 4). Die Inbezugnahme von § 754 zeigt, dass der GV auch legitimiert ist, vom Schuldner freiwillige Leistungen entgegenzunehmen (zum Begriff Rn 3 f). Materielle Erfüllungswirkung haben diese allerdings nur, wenn sie nicht zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgen (s Rn 4). Macht der Schuldner von seiner Abwendungsbefugnis Gebrauch und übergibt er dem GV einen Geldbetrag zum Zwecke der Hinterlegung, muss er diesen entgegen nehmen. Ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis wird dabei nicht erst durch die Hinterlegung, sondern bereits durch die Übergabe des Geldes an den GV begründet (Köln NJW-RR 87, 1210). In diesem Zeitpunkt geht auch die Gefahr auf den Gläubiger über. §§ 815 III, 819 sind analog anzuwenden. Das ist freilich ebenso streitig wie die Frage, ob die Gefahr auch dann übergeht, wenn mit der Leistung nur die Vollstreckung abgewendet werden soll (dafür Musielak/Voit/Lackmann § 754 Rz 11; dagegen Zö/Seibel § 754 Rz 10).
III. Rechtsfolgen bei Verstoß und Rechtsbehelf.
Rn 9
Erfolgt die Vollstreckung ohne vollstreckbare Ausfertigung, ist das ein so schwerwiegender Mangel, dass die Vollstreckungsmaßnahme in entsprechender Anwendung des § 44 VwVfG unwirksam ist (s vor §§ 704 ff Rn 14). Geltend gemacht werden kann das mit der Erinnerung nach § 766. Sie ist auch der statthafte Rechtsbehelf, wenn der GV die vollstreckbare Ausfertigung dem Schuldner oder Dritten anlässlich der Vollstreckung nicht vorlegt. Allerdings macht dieser Verfahrensfehler die Vollstreckungsmaßnahme nicht nichtig, sondern mit der Erinnerung anfechtbar. Außerdem ist eine Heilung des Fehlers durch nachträgliche Vorlage der vollstreckbaren Ausfertigung möglich.