I. Unbekannter Wohnsitz oder Aufenthaltsort sowie Zuständigkeit des GV.
Rn 2
Grund für die Ermittlung des GV nach § 755 ist, dass der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthaltsort des Schuldners nicht bekannt ist. Das ist in den folgenden drei Fällen denkbar: der Wohn- und Aufenthaltsort des Schuldners ist schon vor der Beauftragung des GV unbekannt, der GV trifft den Schuldner bei dem Sachpfändungsversuch nicht an und stellt fest, dass er unbekannt verzogen ist. Schließlich kann es auch vorkommen, dass dem GV aufgrund anderer Vollstreckungsaufträge bereits bekannt ist, dass der Schuldner unbekannt verzogen ist. Zuständig für die Aufenthaltsermittlung ist der GV am letzten bekannten Wohnsitz des Schuldners. Die Sache muss an diesen abgegeben werden (Mroß DGVZ 12, 169, 177). Abs 1 S 2 dient der Ermittlung der Anschrift, der Hauptniederlassung oder des Sitzes juristischer Personen, von Personenvereinigungen, Kaufleuten oder sonstigen Gewerbetreibenden.
II. Befugnisse des GV.
Rn 3
Der GV wird, auch wenn sich das dem Wortlaut des § 755 nicht unmittelbar entnehmen lässt, nicht vAw ermitteln. Dazu bedarf es stets eines besonderen Auftrags des Gläubigers, den der GV übernehmen muss (kein pflichtgebundenes Ermessen: BTDrs 16/10069, 23; LG Verden NJW-RR 16, 1209). Seine Tätigkeit ist kostenpflichtig. Die Systematik der Vorschrift spricht, was die Erhebung der Information anbelangt, für eine gestufte Abfrage (›soweit der Aufenhaltsort des Schuldners nach Abs 1 nicht zu ermitteln ist, darf …‹). In der Tat steht die Anfrage beim Einwohnermeldeamt vor denen nach Abs 2. Allerdings ist das nicht so zu verstehen, dass der Gläubiger über den GV stets eine Anfrage nach Abs 1 veranlassen muss, um danach eine Abfrage bei den Behörden nach Abs 2 in Angriff nehmen zu dürfen (AG Offenbach DGVZ 13, 188). Es würde dem Verhältnismäßigkeitsprinzip widersprechen, verlangte man von einem Gläubiger, der bereits persönlich eine erfolglose Anfrage beim Einwohnermeldeamt durchgeführt und sich hernach mit seinem Ermittlungsauftrag an den GV gewendet hat, nun noch einmal nach Abs 1 anfragen zu lassen. Das staatliche Gebühreninteresse allein kann ein solches Vorgehen jedenfalls nicht rechtfertigen. Eine über § 755 hinausgehende Ermittlungsbefugnis hat der GV nicht. Insbesondere ist die Vorschrift keine Grundlage für ›detektivische Ermittlungstätigkeit‹ (Mroß DGVZ 12, 169, 177) bei anderen als den in der Vorschrift genannten Behörden oder gar darüber hinaus. Die vom GV ermittelten Informationen dürfen aus Gründen des Datenschutzes nur für das jeweils vorliegende Zwangsvollstreckungsverfahren verwendet werden.
III. Informationsquellen und Informationsbeschaffung.
Rn 4
Obwohl als vorrangige Informationsquelle konzipiert, dürfte die Anfrage beim Einwohnermeldeamt nach Abs 1 als Dienstleistung des GV in der Praxis für den Gläubiger oft nicht wirtschaftlich sein (Goebel FoVo 12, 101, 102), dies vor allem deshalb nicht, weil gewerbliche Rechtsdienstleister häufig professionelle Auskunftsdienste in Anspruch nehmen, die die Auskunft kostengünstiger bereitstellen können als der GV oder schlicht selbst anfragen. Erbringt die Anfrage nach Abs 1 kein verwertbares Ergebnis, kann der GV nach Abs 2 S 1 Nr 1 zunächst beim Ausländerzentralregister die Angaben zur aktenführenden Ausländerbehörde sowie zum Zuzug bzw Fortzug des Schuldners ermitteln (zum potentiell diskriminierenden Charakter einer Anfrage beim Ausländerzentralregister, die einen Schuldner und EU-Bürger betraf vgl aber EuGH EuZW 09, 183). Das versetzt ihn im Anschluss in die Lage, den Aufenthaltsort des Schuldners gem der erhaltenen Information zu eruieren. Anfragen beim Kraftfahrtbundesamt nach Abs 2 S 1 Nr 3 (AG Schöneberg JurBüro 16, 443) kommen vor allem bei juristischen Personen in Betracht, da sie beim Einwohnermeldeamt nicht verzeichnet sind, idR aber eigene Fahrzeuge halten (Mroß DGVZ 12, 169, 177). Das einzuhaltende zweistufige Vorgehen bei der Informationsbeschaffung nach Abs 2 S 1 Nr 1 ist unerheblich von der Höhe des zu vollstreckenden Anspruchs des Gläubigers. Abs 2 S 1 Nr 2 ist durch GVSchuG (Rn 1) mWv 1.1.22 um berufsständische Versorgungseinrichtungen ergänzt worden. Die Befugnis des GV, den aktuellen Aufenthaltsort und den aktuellen Arbeitgeber bei den Versorgungswerken abzufragen, besteht jedoch nur unter der Maßgabe von Abs 2 S 4.
IV. Verwertbarkeit der Ermittlungsergebnisse (Abs 3).
Rn 5
Ermittlungsergebnisse zum Aufenthaltsort des Schuldners, die der GV auf Grund des Vollstreckungsauftrages eines Gläubigers eingeholt hat, darf er grds auch für den Auftrag eines weiteren Gläubigers verarbeiten, wenn dem zweiten Gläubiger der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthaltsort des Schuldners nicht bekannt sind und die Daten nicht älter als drei Monate sind. Die Frist betrifft allein den zeitlichen Rahmen für die Nutzung der Informationen, nicht etwa beinhaltet sie ein Zeitfenster für die Speicherung des Inhalts jeder einzelnen Erhebung. Auch dürfen neue Erhebungen nach § 755 I und II durchgeführt werden. Die allg Vorschriften zur Löschung personenbezogener Daten durch den GV werden durch die Regelung nicht berührt.