1. Begriff und Prüfung der Vollständigkeit der Leistung.
Rn 2
VAw darf der GV die vollstreckbare Ausfertigung dem Schuldner, ohne dass dazu die Zustimmung des Gläubigers erforderlich ist (MüKoZPO/Heßler § 757 Rz 4), nur dann aushändigen, wenn dieser vollständig geleistet hat. Eine vollständige Leistung liegt vor, wenn der Gläubiger wegen des gesamten Vollstreckungsanspruchs, so wie er sich aus Titel und Klausel ergibt, Befriedigung erlangt hat (Musielak/Voit/Lackmann § 757 Rz 2), wobei diese namentlich bei Leistung unter dem Druck der Vollstreckung und Rückforderungsvorbehalt nicht notwendig identisch ist mit dem materiell-rechtlichen Erfüllungseintritt (Schuschke/Walker/Walker § 757 Rz 2). Leistet der Schuldner freiwillig (s Rn 1), muss das ohne Bedingung und Vorbehalt geschehen. Ob eine vollständige Leistung idS vorliegt, muss der GV vor Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung selbstständig prüfen. Händigt der GV dem Schuldner die vollstreckbare Ausfertigung aus, obwohl noch eine Restforderung offen steht, kann dieser eine Zweitausfertigung nach § 733 verlangen (Hamm Rpfleger 79, 431).
2. Vollständige Leistung bei Zahlungs- und Herausgabetiteln.
Rn 3
Bei Herausgabetiteln muss der GV an der nach dem Titel geschuldeten Sache Besitz begründen. Richtet sich der Vollstreckungsanspruch auf Zahlung eines Geldbetrags, ist die Begleichung der Hauptforderung sowie aller titulierten Nebenforderungen erforderlich. Dazu zählen auch die Kosten der Vollstreckung nach § 788, nicht aber diejenigen Prozesskosten, die aus einem eigenständigen Kostenfestsetzungsbeschluss beigetrieben werden. Hier muss die vollständige Erbringung der Leistung jeweils getrennt ermittelt werden (anders bei Vollstreckungsbescheiden nach § 699 III und Kostenfestsetzungsbeschlüssen nach §§ 105, 795a; AG Limburg DGVZ 84, 93; Musielak/Voit/
Lackmann § 757 Rz 4). Ist die vollständige Leistung zweifelhaft, was insb bei der Beitreibung einer Restschuld oder bei vollständiger Erfüllung trotz Antrags auf Teilvollstreckung der Fall ist, ist der GV gehalten, vor der Aushändigung der vollstreckbaren Ausfertigung mit dem Gläubiger Rücksprache zu nehmen (MüKoZPO/Heßler § 757 Rz 8). Nur wenn der Gläubiger in seinem Vollstreckungsauftrag die beizutreibende Summe ausschließlich als Restforderung ausgewiesen hat, muss der GV den Vollstreckungstitel dem Schuldner nach der Beitreibung des Betrags aushändigen (Musielak/Voit/Lackmann § 757 Rz 3). Bei erzwungener oder freiwilliger Leistung auf ein vorläufig vollstreckbares Urteil besteht die Herausgabepflicht auch dann, wenn die materiell-rechtliche Tilgungswirkung der Leistung bis zur Rechtskraft hinausgeschoben ist (s Rn 2, § 708 Rn 3). Erfolgt die Leistung durch Übergabe eines Schecks, darf die vollstreckbare Ausfertigung dem Schuldner erst dann ausgehändigt werden, wenn der Scheckbetrag auf dem Dienstkonto des GV (§ 73 GVO) eingegangen, bei Einlösung eine Barschecks an den GV ausgezahlt oder wenn der Gläubiger der Aushändigung des Titels zugestimmt hat (§ 60 III GVGA). Bei unmittelbarer Leistung des Gläubigers an den Schuldner oder dessen Prozessbevollmächtigten ist § 757 I nur dann einschlägig, wenn die Aushändigung des Titels mit ausdrücklicher Zustimmung des Gläubigers erfolgt (vgl § 60 III 3 GVGA). Erfolgt die Leistung dagegen in Anwesenheit des GV, ist sie eine iSd Vorschrift (St/J/Münzberg § 757 Rz 2; aA Zö/Seibel § 757 Rz 5).
3. Vollständige Leistung eines Dritten.
Rn 4
Die Aushändigung des Titels hat auch dann zu erfolgen, wenn nicht der Schuldner, sondern eine dritte Person vollständig an den GV geleistet hat, es sei denn, diese widerspricht dem (MüKoZPO/Heßler § 757 Rz 14 f), etwa weil die Forderung nach §§ 268 III, 412, 402, 774 BGB durch die Leistung auf ihn übergegangen ist. Der Titel muss in diesem Fall nach § 727 auf den Dritten umgeschrieben werden, verbraucht ist er also nicht. Die Voraussetzungen der Titelumschreibung darf der GV nicht prüfen (Musielak/Voit/Lackmann § 757 Rz 5; s § 726 Rn 10, § 727 Rn 19). Eine Aushändigung des Titels an den Dritten kommt unabhängig vom Einverständnis des Schuldners nur in Betracht, wenn der Gläubiger dem zugestimmt hat. Einen Streit über die Herausgabe des Titels darf der GV nicht selbst entscheiden. Vielmehr muss er bis zu dessen Beilegung den Titel bei seinen Dienstakten verwahren oder ihn hinterlegen (St/J/Münzberg § 757 Rz 3; Zö/Seibel § 757 Rz 6).
4. Schuldnermehrheit.
Rn 5
Lautet der Schuldtitel auf mehrere Schuldner, muss für den Empfang der vollständigen Leistung nach § 757 danach unterschieden werden, ob es um Teil-, Gesamt- oder Gesamthandsschulden geht. Handelt es sich um eine Mehrheit von Teilschuldnern iSv § 420 BGB, wird demjenigen, der zuletzt leistet, die vollstreckbare Ausfertigung des gesamten Titels ausgehändigt, weil er die Leistung vollständig erbracht und dadurch der Verbrauch des Titels eingetreten ist. Vorherige Teilleistungen anderer Teilschuldner werden auf dem Titel vermerkt und ihr Anteil quittiert (MüKoZPO/Heßler § 757 Rz 18). Existiert gegen jeden Teilschuldner eine besondere Ausfertigung, erfolgt deren Aushändigung an denjenigen, der seinen Teil geleistet hat (Musielak/Voit/Lackmann § 757 Rz 6). Leistet einer...