1. Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeitsgebot.
Rn 5
Abs 1 S 1 bestimmt, dass die Durchsuchung der Wohnung des Schuldners grds nur aufgrund einer richterlichen, inhaltlich hinreichend bestimmten (BVerfG NJW 00, 943 [BVerfG 19.11.1999 - 1 BvR 2017/97]) Durchsuchungsanordnung erfolgen darf. Zum Begriff der Durchsuchung s § 758 Rn 2; zu dem der Wohnung s § 758 Rn 3. Die Wohnungsdurchsuchung muss dem Grds der Verhältnismäßigkeit entsprechen (BVerfG DGVZ 98, 25; Goebel DGVZ 98, 161) und darf daher nur erfolgen, soweit der Zweck der Vollstreckung dies erfordert (LG Berlin DGVZ 16, 256). In die Verhältnismäßigkeitsprüfung ist mit einzustellen, dass die Vollstreckungsorgane von Verfassungs wegen zur Beitreibung des Vollstreckungsanspruchs des Gläubigers verpflichtet sind (s vor §§ 704 ff Rn 1). Wenn die Vollstreckungsvoraussetzungen vorliegen, darf die Durchsuchung, die die Vollstreckung gerade ermöglichen soll, nur ausnahmsweise abgelehnt werden, nämlich dann, wenn besondere Gründe sie als einen unverhältnismäßig schweren Eingriff in den Schutzbereich des Art 13 GG erscheinen lassen (MüKoZPO/Heßler § 758a Rz 57). Angenommen wird das bei einer ernstlichen Erkrankung des Schuldners oder eines Mitbewohners der Wohnung, die durchsucht werden soll (str; LG Hannover DGVZ 84, 116; aA LG Hannover NJW-RR 86, 288 [LG Hannover 30.09.1985 - 11 T 249/84]). Unverhältnismäßig kann auch eine Durchsuchung sein, die sich aufgrund einer vorherigen Vollstreckungshandlung in derselben Wohnung als offenkundig zwecklos herausstellt, nicht aber bei sog Bagatellforderungen (zur Auswirkung auf das Rechtschutzinteresse in beiden Fällen s Rn 4). Verhältnismäßig muss die richterliche Durchsuchungsanordnung auch in zeitlicher Hinsicht sein. Spätestens nach Ablauf eines halben Jahres verliert eine richterliche Durchsuchungsanordnung ihre rechtfertigende Kraft, wenn sie in dieser Zeit nicht vollzogen wird (BGH NJW 97, 2165 [BVerfG 27.05.1997 - 2 BvR 1992/92]; s Rn 11 aE).
2. Entbehrlichkeit.
a) Einwilligung des Schuldners (Abs 1 S 1).
Rn 6
Gemäß Abs 1 S 1 ist eine richterliche Durchsuchungsanordnung nicht erforderlich, wenn der Schuldner der Durchsuchung durch den GV im Vorfeld zustimmt. Handelt es sich um einen minderjährigen Schuldner oder eine juristische Person, muss die Einwilligung des gesetzlichen Vertreters vorliegen. Die Einwilligung von Mitbewohnern oder Angestellten des Schuldners hat nur dann die Wirkung des Abs 1 S 1, wenn die Personen mit Vertretungsmacht für deren Abgabe ausgestattet sind (Schuschke/Walker/Walker § 758a Rz 14; aA Musielak/Voit/Lackmann § 758a Rz 4: Nur der Schuldner ist zur Abgabe berechtigt). Die Einwilligung muss nicht unbedingt ausdrücklich, sondern kann auch schlüssig erklärt werden (aA Musielak/Voit/Lackmann § 758a Rz 4 mwN), vorausgesetzt, der Erklärungswert wird positiv zum Ausdruck gebracht. Das bloße Zugänglichmachen von Räumen erfüllt diese Voraussetzung nicht (Zö/Seibel § 758a Rz 12). Eine räumliche Beschränkung der Einwilligung ist ebenso möglich, wie ihr jederzeitiger Widerruf (Schuschke/Walker/Walker § 758a Rz 16). Solange ein solcher nicht erklärt wurde, besteht die Einwilligung für spätere Vollstreckungshandlungen für denselben Gläubiger fort. Das gilt nicht, wenn für andere Gläubiger oder nachfolgend gleichzeitig für mehrere Gläubiger vollstreckt werden soll. Im ersten Fall ist die Einwilligung des Schuldners erneut einzuholen, im zweiten Fall ist nur eine einheitliche Erklärung oder Verweigerung der Einwilligung für die Gläubigermehrheit möglich (Schuschke/Walker/Walker § 758a Rz 17). Soweit bei einer Gläubigermehrheit keine Einwilligung vorliegt, bedarf es grds allerdings nur einer richterlichen Durchsuchungsanordnung für einen Gläubiger, wenn der GV anlässlich der Durchsuchung auch für andere Gläubiger mit vollstreckt. Gegenüber den anderen ist sie entbehrlich, soweit der Vollstreckungsaufwand ungefähr gleich bleibt (BVerfGE 76, 83 [BVerfG 16.06.1987 - 1 BvR 1202/84] = NJW 79, 1539). Macht der Schuldner Vorbehalte oder schränkt er die Einwilligung inhaltlich ein, gilt diese als nicht erteilt (MüKoZPO/Heßler § 758a Rz 33). Der GV muss die Person, auf die er in der Wohnung trifft, darüber belehren, dass eine Durchsuchung nur aufgrund richterlicher Anordnung oder mit der vorherigen Zustimmung des Schuldners erfolgen darf (aA Schneider NJW 80, 2377, 2383 [BVerfG 03.04.1979 - 1 BvR 994/76]).
b) Gefährdung des Durchsuchungserfolgs (Abs 1 S 2).
Rn 7
Nach Abs 1 S 2 muss die Durchsuchung der Wohnung nicht von einem Richter angeordnet werden, wenn die Einholung der richterlichen Anordnung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde (§ 61 IV GVGA). Ob Gefahr im Verzug vorliegt, darüber befindet der GV vor Ort anhand konkreter Tatsachen, die im GV-Protokoll zu vermerken sind. Ein pflichtgebundenes Ermessen steht ihm bei dieser Entscheidung nicht zu (Musielak/Voit/Lackmann § 758a Rz 9; aA MüKoZPO/Heßler § 758a Rz 38). Dass ein über die bevorstehende Vollstreckungshandlung orientierter Schuldner uU vollstreckungstaugliche Güter dem Zugriff des GV zu entziehen versucht, genügt allein nicht, um Gefahr im Verzug zu begründen (Zö/Seibel § 758a Rz 30). Erforderlich sind vielme...