Gesetzestext
(1) 1Das Prozessgericht kann auf Antrag anordnen, dass bis zum Erlass des Urteils über die in den §§ 767, 768 bezeichneten Einwendungen die Zwangsvollstreckung gegen oder ohne Sicherheitsleistung eingestellt oder nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werde und dass Vollstreckungsmaßregeln gegen Sicherheitsleistung aufzuheben seien. 2Es setzt eine Sicherheitsleistung für die Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht fest, wenn der Schuldner zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage ist und die Rechtsverfolgung durch ihn hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. 3Die tatsächlichen Behauptungen, die den Antrag begründen, sind glaubhaft zu machen.
(2) 1In dringenden Fällen kann das Vollstreckungsgericht eine solche Anordnung erlassen, unter Bestimmung einer Frist, innerhalb der die Entscheidung des Prozessgerichts beizubringen sei. 2Nach fruchtlosem Ablauf der Frist wird die Zwangsvollstreckung fortgesetzt.
(3) Die Entscheidung über diese Anträge ergeht durch Beschluss.
(4) Im Fall der Anhängigkeit einer auf Herabsetzung gerichteten Abänderungsklage gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend.
A. Normzweck.
Rn 1
Die Klageerhebung gem. §§ 767, 768 hemmt die Vollstreckung nicht; gleiches gilt für die Fälle, in denen §§ 767, 768 durch Verweisung anzuwenden sind. Gemäß § 769 kann daher der Schuldner, der eine entspr Klage erhoben hat, die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung bzw die Aufhebung von Vollstreckungsmaßregeln im Weg der einstweiligen Anordnung erreichen.
B. Anwendungsbereich.
I. Anwendbarkeit.
Rn 2
Durch Verweisung gilt § 769 – ebenso wie § 770 – auch im Verfahren über die Drittwiderspruchsklage gem § 771 III zug des Dritten, im Verfahren der Durchsetzung der beschränkten Haftung nach den §§ 785 und 786 sowie im Verfahren über die Klage auf vorzugsweise Befriedigung gem § 805 IV zug des Dritten, ebenso für Anträge auf Verweigerung, Aussetzung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung aus Europäischen Vollstreckungstiteln gem § 1084 II. Analog wurden bisher die §§ 769 und 770 im Fall der Anhängigkeit einer auf Herabsetzung gerichteten Abänderungsklage nach § 323 angewendet (BGH NJW 86, 2057 [BGH 07.05.1986 - IVb ZR 49/85]; LM § 323 Nr 1). Dies wurde zwischenzeitlich durch das FGG-RG gesetzlich verankert, § 769 IV. In Frage kommen hier besonders Klagen nach §§ 323, 323a sowie Abänderungsentscheidungen nach dem FamFG.
II. Abgrenzung.
Rn 3
In Anfechtungsprozessen nach §§ 143 InsO bzw 11 AnfG sind, soweit sich diese Klagen gegen eine Vollstreckungsmaßnahme richten, die §§ 769, 770 analog anzuwenden (MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rz 4). In dem FamFG unterliegenden Angelegenheiten gelten die §§ 769, 770 über § 95 I, II FamFG. Im Arrestverfahren wird eine Anwendung der §§ 769, 770 neben den §§ 923, 927 abgelehnt (MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rz 4; Musielak/Voit/Lackmann Rz 1a). Nicht anzuwenden sind die §§ 769 und 770 iRv Klagen auf Titelherausgabe nach § 371 BGB, soweit diese nicht mit einer Vollstreckungsabwehrklage verbunden sind, da ein insoweit obsiegendes Urt nicht ohne weiteres zur Beendigung der Zwangsvollstreckung führt. Die Anwendung der §§ 769, 770 ist auch iRe Vaterschaftsanfechtung im Hinblick auf einen bestandskräftigen Unterhaltstitel abgelehnt worden (Ddorf NJW 72, 215; Köln NJW 73, 195, 196 [OLG Köln 26.10.1972 - 16 W 135/72]; Saarbr DAVorm 85, 155; St/J/Münzberg Rz 4).
Rn 4
Ist das Urt in der Hauptsache nicht geeignet, eine Zwangsvollstreckung zu verhindern, scheiden die §§ 769, 770 aus. Dies ist bei reinen Feststellungsklagen der Fall.
Rn 5
Verneint wird die analoge Anwendung der §§ 769, 770 auch iR materiell-rechtlicher Klagen zur Durchbrechung der Rechtskraft; insoweit wird auf die Möglichkeit der einstweiligen Verfügung verwiesen, obwohl Klagen aus § 826 BGB durchaus auch auf Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung gerichtet sein können (RGZ 61, 359, 361; Frankf NJW 92, 511; Stuttg NJW-RR 98, 70; Wieczorek/Schütze/Spohnheimer Rz 7; aA Frankf FamRZ 02, 618, 619; MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rz 4). Die Frage, welches Verfahren anzuwenden ist, kann für den Schuldner von erheblicher Bedeutung sein. Im Fall des § 945 greift die verschuldensunabhängige Haftung des Ast ein; bei der einstweiligen Anordnung nach §§ 769 oder 770 scheidet dies aus (vgl Rn 19).
C. Voraussetzungen.
I. Zulässigkeit, Rechtsschutzbedürfnis.
Rn 6
Nach Rspr einiger OLG muss nicht nur eine bereits wirksame Klageschrift eingereicht werden, ehe eine einstweilige Anordnung erlassen werden kann, sondern auch die Zahlung des Prozesskostenvorschusses erfolgt sein (Köln FamRZ 87, 963, 964; Hamm NJW-RR 96, 1023, 1024; Naumbg OLGReport 00, 388; Frankf OLGR 08, 612, 613; ebenso Musielak/Voit/Lackmann Rz 2). Man wird lediglich verlangen können, dass die Klage eingereicht ist; die Zahlung des Prozesskostenvorschusses muss nicht erfolgen; das Gericht kann allerdings den Erlass einer einstweiligen Anordnung unter die Bedingung stellen, dass ein Kostenvorschuss innerhalb einer bestimmten Frist bezahlt oder aber Befreiung gem § 14 GKG beantragt wird (MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rz 11). Prozessgericht ist nicht das noch nicht mit der Hauptsache befasste Gericht, wenn nu...