Gesetzestext
(1) Behauptet ein Dritter, dass ihm an dem Gegenstand der Zwangsvollstreckung ein die Veräußerung hinderndes Recht zustehe, so ist der Widerspruch gegen die Zwangsvollstreckung im Wege der Klage bei dem Gericht geltend zu machen, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung erfolgt.
(2) Wird die Klage gegen den Gläubiger und den Schuldner gerichtet, so sind diese als Streitgenossen anzusehen.
(3) 1Auf die Einstellung der Zwangsvollstreckung und die Aufhebung der bereits getroffenen Vollstreckungsmaßregeln sind die Vorschriften der §§ 769, 770 entsprechend anzuwenden. 2Die Aufhebung einer Vollstreckungsmaßregel ist auch ohne Sicherheitsleistung zulässig.
A. Normzweck.
Rn 1
Die Klage ist prozessuale Gestaltungsklage (BGHZ 58, 207, 214; 164, 176, 178); sie entspricht dem Aussonderungsrecht des § 47 InsO in der Insolvenz. § 771 gibt dem materiell Berechtigten die Möglichkeit, sich gegen Eingriffe in seine Rechte zur Wehr zu setzen, die aufgrund formell zu Recht vorgenommener Vollstreckungsmaßnahmen erfolgen. Die Vorschrift wird dem Umstand gerecht, dass die Vollstreckungsorgane bei der Zuordnung pfändbarer Gegenstände zum Schuldnervermögen nur eine sehr eingeschränkte Prüfungsbefugnis haben und sich mit dem äußeren Anschein der Zuordnung des Gegenstandes zum Vermögen des Schuldners begnügen müssen (BGH MDR 07, 1274, 1275 [BGH 05.07.2007 - III ZR 143/06]). So reicht nach § 808 I der Gewahrsam des Schuldners aus, um eine Pfändung körperlicher Sachen vorzunehmen; die Eintragung in das GB genügt, um eine Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen in die Wege zu leiten. Bei Vollstreckung in Forderungen und andere Vermögensrechte reicht es aus, wenn die Zugehörigkeit zum Vermögen des Schuldners vom Gläubiger geltend gemacht wird.
B. Anwendungsbereich, Abgrenzung.
I. Anwendbarkeit.
Rn 2
Die Drittwiderspruchsklage richtet sich gegen die Vollstreckung aus sämtlichen möglichen Vollstreckungstiteln, so auch gegen die Vollstreckung aus Arresten und eV (BGHZ 156, 310, 314) und gegen die Vollstreckung eines Arrestbefehls nach § 111d StPO (BGHZ 164, 176, 178 ff). § 771 gilt auch für Forderungspfändungen (BGH NJW 77, 384, 385; WM 81, 648, 649). Entspr anwendbar ist § 771 bei einer Teilungsversteigerung nach §§ 180 ff ZVG, dies sowohl zug eines Teilhabers als auch eines Dritten (BGH Beschl v 16.11.22 – XII ZB 100/22 Rz 13, juris = NJW 23, 515; WM 13, 1748, 1749 für die Teilungsversteigerung des Grundstücks einer GbR; vgl Rn 17).
II. Abgrenzung zu anderen Rechtsbehelfen.
Rn 3
Die Erinnerung nach § 766 wird auf die Verletzung vollstreckungsrechtlicher Verfahrensvorschriften gestützt. Die Widerspruchsklage dagegen betrifft die Geltendmachung materieller Rechte. Beide Rechtsbehelfe schließen einander nicht aus, wenn ein Dritter sowohl ein die Veräußerung hinderndes Recht als auch einen Verfahrensfehler bei der Zwangsvollstreckung geltend macht (BGH WM 62, 1177). Das Rechtschutzinteresse für die Drittwiderspruchsklage kann allerdings entfallen, wenn die Erinnerung bereits Erfolg hatte (RGZ 81, 190, 192).
Rn 4
Mit der Klage auf vorzugsweise Befriedigung nach § 805 will der Dritte, dem ein besitzloses Pfand- oder Vorzugsrecht an der gepfändeten Sache zusteht, unter Fortsetzung der Zwangsvollstreckung erreichen, dass er aus dem Vollstreckungserlös vor dem Vollstreckungsgläubiger befriedigt wird. Die Klage auf vorzugsweise Befriedigung ist nicht bloßes Minus zur Drittwiderspruchsklage (so aber Anders/Gehle/Vogt-Beheim ZPO § 805 Rz 1). Auf eine Drittwiderspruchsklage kann nicht unter Teilabweisung nach § 805 auf vorzugsweise Befriedigung erkannt werden; ebenso wenig kann einer aus § 805 erhobenen Klage stattgegeben werden, wenn sie auf ein tatsächlich unter § 771 fallendes Recht gestützt werden kann. Die Klage nach § 771 ist auf die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung gerichtet, diejenige nach § 805 setzt die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung voraus (MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rz 11). Die Widerspruchsklage nach § 878 zielt auf eine Abänderung des Teilungsplanes hin; sie steht nur den am Zwangsvollstreckungsverfahren beteiligten Gläubigern offen, somit nicht denjenigen, die an dem Vollstreckungserlös sonst berechtigt wären.
Rn 5
Leistungsklagen gegen den Gläubiger auf Herausgabe, Freigabe oder auch auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung gem §§ 985, 1004 BGB sind, solange das Vollstreckungsverfahren andauert, unzulässig. Gleiches gilt für Klagen auf Zustimmung zur Auszahlung von aufgrund von Vollstreckungsmaßnahmen hinterlegten Geldes bei der Hinterlegungsstelle (BGHZ 58, 207, 214, 215; WM 87, 539, 541). Unzulässig ist auch eine selbstständige Feststellungsklage gegen den Gläubiger (BGH NJW 81, 1835, 1836). Diese Klagen scheiden sämtlich aus, da zum einen § 771 der spezielle Rechtsbehelf ist, zum anderen diesen Klagen das Rechtschutzbedürfnis fehlt, weil insoweit stattgebende Urt für eine Einstellung bzw Aufhebung nach §§ 775 Nr 1, 776 nicht ausreichen. Ist allerdings der Vollstreckungsgegenstand verwertet und der Erlös an den Gläubiger ausgekehrt, kommen Leistungsklagen in Betracht (BGHZ 32, 240, 244; WM 87, 539, 540). Vor Beginn der Vollstrecku...