1. Voraussetzungen.
Rn 2
§ 775 Nr 1 erfordert die Vorlage der Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urt oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder ihre Einstellung angeordnet ist. Gemäß § 717 I tritt die vorläufige Vollstreckbarkeit mit der Verkündung eines Urt, welches die Entscheidung in der Hauptsache oder die Vollstreckbarkeitserklärung aufhebt oder abändert, insoweit außer kraft als die Aufhebung oder Abänderung ergeht. Derartige Entscheidungen werden bereits mit der Verkündung wirksam, so dass bereits mit Vorliegen eines entspr Urt Vollstreckungsmaßnahmen aus dem wirkungslos gewordenen Titel nicht mehr getroffen werden können (BGHZ 156, 335, 342, 343; BGH FamRZ 13, 1731, 1732).
Rn 3
Der Gläubiger kann die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung erst wieder beantragen, wenn die gerichtliche Entscheidung, auf welcher die Einstellung beruht, aufgehoben oder außer Kraft getreten oder sonst gegenstandslos geworden ist.
2. Entscheidungen.
Rn 4
Bei der vorzulegenden vollstreckbaren Entscheidung muss es sich um ein Urt oder einen Beschl handeln; in Frage kommen insb klagestattgebende Urt gem §§ 767, 768, 771 ff und 793, ebenso Beschl, durch welche die Zwangsvollstreckung ausnahmsweise endgültig eingestellt wird, wie dies durch §§ 765a I und 766 ermöglicht wird. In Frage kommen weiter zweit- oder drittinstanzliche Entscheidungen, durch welche ein vorinstanzliches Urt aufgehoben wurde, ebenso Urt, die im Abänderungsverfahren nach §§ 323, 323a ergangen sind, oder Urt im Wiederaufnahmeverfahren. Eine Entscheidung nach § 269 III 1, IV berührt den Urteilsausspruch einschl des Vollstreckbarkeitsausspruchs, kann somit ebenfalls iRd § 775 Nr 1 berücksichtigt werden (Musielak/Voit/Lackmann Rz 3). Anzuwenden ist § 775 Nr 1 auch auf Urt, durch die ein durch Beschl erlassener Arrest oder eine durch Beschl erlassene einstweilige Verfügung aufgehoben werden; in Frage kommen auch Beschl eines OLG, durch die eine erstinstanzliche Vollstreckbarerklärung ausl Titel aufgehoben wird. Urt auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung fallen nicht unter § 775 Nr 1. Gleiches gilt für ein Feststellungsurteil, wonach die Gläubigerforderung nicht oder nur in bestimmter Höhe besteht und für ein Urt auf Herausgabe des Titels analog § 371 BGB. Derartige Urt lassen das frühere Urt und seine Vollstreckbarkeit unberührt (BGHZ 124, 164, 171).
Rn 5
Vergleiche, auch Prozessvergleiche, reichen nicht aus (so BGH WM 11, 1708, 1709; BayObLG NJW-RR 99, 506, 507), ebenso wenig ein Verzicht des Gläubigers auf den Titel (MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rz 10); etwas anderes kann gelten, wenn das Prozessgericht die Wirksamkeit des Verzichts feststellt (KG NJW-RR 00, 1523 [KG Berlin 02.07.1999 - 5 W 2664/99]; Musielak/Voit/Lackmann Rz 3). Der Schuldenbereinigungsplan ist keine gerichtliche Entscheidung iSd § 775 Nr 1, dies auch dann nicht, wenn das Insolvenzgericht nach § 308 I 1 InsO die Annahme des Schuldenbereinigungsplans durch die Gläubiger oder deren Ersetzung durch Beschl festgestellt hat (BGH WM 11, 1708, 1709). Auch die Restschuldbefreiung ist keine vollstreckbare Entscheidung iSd § 775 Nr 1 (BGH WM 11, 1708, 1710). Beiderseitige Erledigungserklärungen führen ebenfalls nicht zur Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung nach § 775 Nr 1 (MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rz 10; aA Nürnbg GRUR 96, 79 [OLG Nürnberg 20.10.1995 - 3 W 2862/95]; KG NJW-RR 99, 790, 791 [KG Berlin 31.07.1998 - 5 W 4012/98]). In derartigen Fällen kann § 775 Nr 4 anwendbar sein; auch besteht die Möglichkeit einer Vollstreckungsabwehrklage. Ist das Prozessgericht als Vollstreckungsgericht tätig, hat es vAw zu prüfen, ob der Titel nicht durch Prozessvergleich, prozessuale Verzichtserklärung oder Erledigungserklärung seine Grundlage verloren hat (BGHZ 156, 335, 342, 343). Auch die Restschuldbefreiung stellt keine vollstreckbare Entscheidung iSd § 775 Nr 1 dar (BGH WM 11, 1708, 1710).
3. Vollstreckbarkeit.
Rn 6
Die Entscheidungen müssen vollstreckbar, somit entweder rechtskräftig, für vorläufig vollstreckbar erklärt oder kraft Gesetzes vollstreckbar sein. Urt aus §§ 767, 771 ff müssen daher, um den Anforderungen des § 775 Nr 1 zu genügen, für vorläufig vollstreckbar erklärt werden, auch wenn dies an sich nur im Hinblick auf die Kostenentscheidung geboten wäre. Ist die vorläufige Vollstreckbarkeit eines aufhebenden Urt von einer Sicherheitsleistung abhängig, gilt dies nicht auch für die Einstellung. Gemäß § 717 I entfällt die vorläufige Vollstreckbarkeit des Vollstreckungstitels bereits mit Verkündung des aufhebenden Urt (Schuschke/Walker/Raebel Rz 7; aA MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rz 11). Anders ist es, wenn die Vollstreckung für unzulässig erklärt wird, so bspw im Fall der §§ 732, 766, 767 ff, 793. In diesen Fällen ist § 717 I nicht anzuwenden; eine angeordnete Sicherheitsleistung muss erbracht werden, wenn die vorläufige Vollstreckbarkeit des aufhebenden Urt von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht wird; dies gilt au...