Gesetzestext

 

Die Zwangsvollstreckung ist einzustellen oder zu beschränken:

1. wenn die Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urteil oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder dass die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder ihre Einstellung angeordnet ist;
2. wenn die Ausfertigung einer gerichtlichen Entscheidung vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die einstweilige Einstellung der Vollstreckung oder einer Vollstreckungsmaßregel angeordnet ist oder dass die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung fortgesetzt werden darf;
3. wenn eine öffentliche Urkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass die zur Abwendung der Vollstreckung erforderliche Sicherheitsleistung oder Hinterlegung erfolgt ist;
4. wenn eine öffentliche Urkunde oder eine von dem Gläubiger ausgestellte Privaturkunde vorgelegt wird, aus der sich ergibt, dass der Gläubiger nach Erlass des zu vollstreckenden Urteils befriedigt ist oder Stundung bewilligt hat;
5. wenn der Einzahlungs- oder Überweisungsnachweis einer Bank oder Sparkasse vorgelegt wird, aus dem sich ergibt, dass der zur Befriedigung des Gläubigers erforderliche Betrag zur Auszahlung an den Gläubiger oder auf dessen Konto eingezahlt oder überwiesen worden ist.

A. Normzweck, Anwendungsbereich.

 

Rn 1

§ 775 nennt die Voraussetzungen, die zur Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung durch die Vollstreckungsorgane führen. Eine entspr Anwendung auf weitere Sachverhalte als die in Nr 1–5 genannten ist nicht möglich (BGH NJW 08, 3640, 3641; WM 11, 1708, 1710; Zö/Geimer Rz 3). § 775 gilt für jede Art der Zwangsvollstreckung; für die Zwangshypothek gilt die Sonderregelung des § 868; auch gilt § 775 nicht bei der Vollstreckung eines Titels auf Abgabe einer Willenserklärung nach § 894; insoweit ist ein Vollzug nicht erforderlich (MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rz 2).

B. Tatbestände des § 775 Nr 1–5.

I. § 775 Nr 1.

1. Voraussetzungen.

 

Rn 2

§ 775 Nr 1 erfordert die Vorlage der Ausfertigung einer vollstreckbaren Entscheidung, aus der sich ergibt, dass das zu vollstreckende Urt oder seine vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben oder die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt oder ihre Einstellung angeordnet ist. Gemäß § 717 I tritt die vorläufige Vollstreckbarkeit mit der Verkündung eines Urt, welches die Entscheidung in der Hauptsache oder die Vollstreckbarkeitserklärung aufhebt oder abändert, insoweit außer kraft als die Aufhebung oder Abänderung ergeht. Derartige Entscheidungen werden bereits mit der Verkündung wirksam, so dass bereits mit Vorliegen eines entspr Urt Vollstreckungsmaßnahmen aus dem wirkungslos gewordenen Titel nicht mehr getroffen werden können (BGHZ 156, 335, 342, 343; BGH FamRZ 13, 1731, 1732).

 

Rn 3

Der Gläubiger kann die Fortsetzung der Zwangsvollstreckung erst wieder beantragen, wenn die gerichtliche Entscheidung, auf welcher die Einstellung beruht, aufgehoben oder außer Kraft getreten oder sonst gegenstandslos geworden ist.

2. Entscheidungen.

 

Rn 4

Bei der vorzulegenden vollstreckbaren Entscheidung muss es sich um ein Urt oder einen Beschl handeln; in Frage kommen insb klagestattgebende Urt gem §§ 767, 768, 771 ff und 793, ebenso Beschl, durch welche die Zwangsvollstreckung ausnahmsweise endgültig eingestellt wird, wie dies durch §§ 765a I und 766 ermöglicht wird. In Frage kommen weiter zweit- oder drittinstanzliche Entscheidungen, durch welche ein vorinstanzliches Urt aufgehoben wurde, ebenso Urt, die im Abänderungsverfahren nach §§ 323, 323a ergangen sind, oder Urt im Wiederaufnahmeverfahren. Eine Entscheidung nach § 269 III 1, IV berührt den Urteilsausspruch einschl des Vollstreckbarkeitsausspruchs, kann somit ebenfalls iRd § 775 Nr 1 berücksichtigt werden (Musielak/Voit/Lackmann Rz 3). Anzuwenden ist § 775 Nr 1 auch auf Urt, durch die ein durch Beschl erlassener Arrest oder eine durch Beschl erlassene einstweilige Verfügung aufgehoben werden; in Frage kommen auch Beschl eines OLG, durch die eine erstinstanzliche Vollstreckbarerklärung ausl Titel aufgehoben wird. Urt auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung fallen nicht unter § 775 Nr 1. Gleiches gilt für ein Feststellungsurteil, wonach die Gläubigerforderung nicht oder nur in bestimmter Höhe besteht und für ein Urt auf Herausgabe des Titels analog § 371 BGB. Derartige Urt lassen das frühere Urt und seine Vollstreckbarkeit unberührt (BGHZ 124, 164, 171).

 

Rn 5

Vergleiche, auch Prozessvergleiche, reichen nicht aus (so BGH WM 11, 1708, 1709; BayObLG NJW-RR 99, 506, 507), ebenso wenig ein Verzicht des Gläubigers auf den Titel (MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rz 10); etwas anderes kann gelten, wenn das Prozessgericht die Wirksamkeit des Verzichts feststellt (KG NJW-RR 00, 1523 [KG Berlin 02.07.1999 - 5 W 2664/99]; Musielak/Voit/Lackmann Rz 3). Der Schuldenbereinigungsplan ist keine gerichtliche Entscheidung iSd § 775 Nr 1, dies auch dann nicht, wenn das Insolvenzgericht nach § 308 I 1 InsO die Annahme des Schuldenbereinigungsplans durch die Gläubiger oder deren Ersetzung durch Beschl festgestellt hat (BGH WM 11, 1708, 1709). Auch die Restschuldbefrei...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?