Rn 21
Der Anwaltszwang soll sicher stellen, dass der schriftsätzliche Vortrag und insb Rechtsmittelschriften das Ergebnis der Durcharbeitung und Strukturierung des tatsächlichen und rechtlichen Streitstoffs unter Berücksichtigung der Anforderungen des Rechtsstreits als rechtsförmlichen Verfahren und idS Ergebnis der persönlichen geistigen Arbeit des zugelassenen Rechtsanwalts sind (BGH NJW 05, 2709, 2710; NJW-RR 06, 342, 343; NJW 08, 1311, 1312), was allerdings nicht ausschließt, dass die Schriftsätze von anderen Personen unterschriftsreif vorbereitet werden, solange der zugelassene Anwalt die volle Verantwortung für den Inhalt übernimmt (BGH NJW-RR 89, 3022; NJW 08, 1311, 1312; NJW-RR 17, 686 Rz 7; MDR 23, 183). Die Mitunterzeichnung durch eine nicht zur Vertretung befugte Person ist idR unschädlich (BGH GRUR 22, 1467 [BGH 05.07.2022 - X ZR 58/20] Rz 18). Zum Nachweis der Erfüllung dieser Anforderungen begnügt sich das Gesetz aus Gründen der Rechtssicherheit mit der unterschriftsersetzenden Signierung des Schriftsatzes durch den Anwalt, weshalb das Gericht bei einem so unterzeichneten Schriftsatz keinen Anlass zur Prüfung hat, ob er tatsächlich die Verantwortung übernommen und ob und wie gründlich er den Prozessstoff durchgearbeitet hat und deshalb weitere Nachweise nicht fordern darf (BGH NJW-RR 89, 3022; 98, 574, 575 [BGH 29.10.1997 - VIII ZR 141/97]; NJW 05, 2709; 08, 1311, 1312; NJW-RR 17, 686 Rz 8; MDR 23, 183 Rz 10). Denn es spricht grds eine Vermutung dafür, dass der Signierende oder Übermittelnde (§ 130a II) sich den Inhalt des Schreibens zu eigen gemacht hat und dafür die Verantwortung übernimmt, die nur durch konkrete gegenteilige Anhaltspunkte erschüttert werden kann (BGH MDR 23, 383 [BGH 10.01.2023 - VIII ZB 41/22]). Die fehlende Übernahme der Verantwortung kann nicht schon daraus hergeleitet werden, dass (ohne Kenntlichmachung) nicht der in einem Zusatz zur Unterschrift ausgewiesene, sondern ein anderer postulationsfähiger Anwalt unterzeichnet hat (BGH NJW-RR 17, 760 [BGH 14.03.2017 - XI ZB 16/16] Rz 10). Nur wenn sich aus dem Schriftsatz zweifelsfrei ergibt, dass die sachlichen Prüfungsanforderungen nicht erfüllt sind (vgl aber auch BGH NJW 14, 2664 [BGH 02.07.2014 - 4 StR 215/14] Rz 3: Es darf kein Zweifel an der Übernahme der Verantwortung bestehen), verliert die Unterzeichnung ausnahmsweise ihre Beweiskraft. Dies kommt nur in zwei Fallgruppen in Betracht: Der Anwalt distanziert sich bspw durch einen Zusatz selbst von der Erklärung und lehnt damit die Verantwortung dafür ab oder nach dem Inhalt des Schriftsatzes ist es schlechthin ausgeschlossen, dass der Anwalt ihn vor der Unterzeichnung geprüft haben könnte (BGH NJW 89, 3022, 3023; 05, 2709 [BGH 23.06.2005 - V ZB 45/04]; 08, 1311, 1312; NJW-RR 12, 1139 [BGH 26.04.2012 - VII ZB 83/10] Rz 12: i.V.; NJW-RR 17, 686 Rz 11; der Zusatz ›pro abs‹ soll dafür noch nicht genügen, LAG Ddorf Urt v 15.8.16 – 9 Sa 318/16 Rz 42 f). Für eine Distanzierung genügt es noch nicht, wenn der Anwalt sich dafür entschuldigt, dass es ihm wegen Zeitdrucks nicht möglich gewesen sei, die vom Mandanten gefertigte Berufungsbegründung auf dem Briefpapier des Anwalts einzureichen (BGH NJW 89, 394, 395). Die fehlende Übernahme der Verantwortung soll aber regelmäßig in der Unterzeichnung ›i.A.‹ zum Ausdruck kommen, die erkennen lässt, dass der Unterzeichner nur als Erklärungsbote auftreten will (BGH NJW 88, 120; MDR 17, 53 [OLG Karlsruhe 28.10.2016 - 20 UF 81/15] Rz 2). Unschädlich ist dies nur dann, wenn auch der so unterzeichnende Anwalt Mitglied der mandatierten Sozietät ist (BGH NJW 13, 237, 238 [BGH 25.09.2012 - VIII ZB 22/12] Rz 11 f; zusammenfassend Deichfuß NJW 16, 3132). In dem Zusatz ›unterzeichnend für den vom Kollegen verfassten und verantworteten Schriftsatz‹ wird die fehlende Übernahme der Verantwortung deutlich (BGH MDR 23, 183 Rz 13). Der BGH hat bislang offengelassen, ob eine Distanzierung nur dann angenommen werden kann, wenn sie sich schon aus dem Schriftsatz selbst ergibt oder ob für diese Prüfung auch weitere Schriftstücke herangezogen werden können (BGH NJW-RR 17, 686 [BGH 14.03.2017 - VI ZB 34/16] Rz 12). Regelmäßig wird dies ausscheiden müssen, denn es wird sich ohne Anhaltspunkte im Schriftsatz selbst kaum ausschließen lassen, dass der Anwalt entgegen früherer Äußerungen doch die Verantwortung übernehmen wollte, wie dies durch eine Unterschrift zum Ausdruck gebracht wird. Die häufigere 2. Fallgruppe ist dadurch gekennzeichnet, dass der Schriftsatz unverständliche und wirre Ausführungen ohne Zusammenhang mit dem Streitstoff (zB dem angegriffenen Urt) enthält, die erkennen lassen, dass eine eigene Prüfung durch den Rechtsanwalt nicht stattgefunden haben kann (BGH NJW 89, 394, 395; MDR 21, 575), bspw weil die mehreren Seiten eines Schriftsatzes nach Erscheinungsbild und Diktion nicht zusammenpassen (BGH NJW-RR 06, 342, 343 [BGH 22.11.2005 - VIII ZB 40/05]), Antragstellung und Begründung nicht zusammenpassen und auf den Vortrag 1. Instanz verwiesen wir...