Rn 9
Im Erkenntnisverfahren wird die beschränkte Erbenhaftung auf Einrede des Erben hin berücksichtigt (BGH WM 83, 661, 663); eines förmlichen Antrags bedarf es nicht (BGHZ 122, 297, 305); auch muss die Einrede nicht begründet werden (BGH NJW 64, 2298, 2300; WM 83, 661, 663). Die Prüfung der Voraussetzungen für die Beschränkung ist dem Vollstreckungsabwehrverfahren gem §§ 785, 787 vorbehalten. Unerheblich ist es, ob die Umstände, welche die Haftungsbeschränkung des Erben begründen, vor oder nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung eingetreten sind; da eine substantiierte Begründung noch nicht erforderlich ist, muss er die beschränkte Erbenhaftung geltend machen, selbst wenn er deren Voraussetzungen noch nicht darzulegen oder nachzuweisen vermag (BGHZ 17, 69, 73; NJW 91, 2839, 2840). Etwas anderes gilt für den Fall, dass der Erbfall zu einem Zeitpunkt eintritt, in dem der Erbe diesen Vorbehalt nicht mehr erwirken konnte (BGHZ 54, 204, 207).
Rn 10
Die Einrede ist in den Tatsacheninstanzen zu erheben (BGHZ 54, 204, 205 ff). Die erstmals im Berufungsrechtszug erhobene Einrede der beschränkten Erbenhaftung ist unabhängig von § 531 II zuzulassen (BGH v 2.2.10 – VI ZR 82/09 = NJW-RR 10, 664 Rz 7, 21). Der Rspr des BGH entspricht es, dass unter den Begriff ›neue Angriffs- und Verteidigungsmittel‹ iSd § 531 lediglich streitiges und damit beweisbedürftiges Vorbringen fällt (BGHZ 177, 212, 214 für die ähnl gelagerte Problematik der Einrede der Verjährung). Die Einlegung der Berufung allein mit dem Ziel, nachträglich die Beschränkung der Haftung nach § 780 zu erreichen, ist zulässig (Celle OLGR 95, 204; Rostock OLGR 09, 102, 103). Für die Aufnahme des Vorbehalts der beschränkten Erbenhaftung bedarf es keines Sachvortrags; es genügt, dass sich der Erbe im Erkenntnisverfahren darauf beruft. Der Erbfall selbst und die Erbenstellung des Beklagten sind im Allgemeinen unstr, dies schon deshalb, weil der Kl die von ihm beantragte Verurteilung hierauf stützt (BGH NJW-RR 10, 664, 665). Der BGH hat die in der Entscheidung des Großen Senats für Zivilsachen (BGHZ 117, 212 ff) niedergelegten Grundsätze zur Einrede der Verjährung auch auf den Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung angewendet.
Rn 11
Bei Fehlen des Vorbehaltes im erstinstanzlichen Urt, obwohl ein solcher beantragt worden war, kann der Erbe unter den Voraussetzungen des § 321 Urteilsergänzung beantragen oder Rechtsmittel einlegen. Bei der Übergehung unselbstständiger Teile der Entscheidung ist das Urt gleichzeitig inhaltlich falsch, so dass neben der Möglichkeit der Urteilsergänzung auch das entspr Rechtsmittel gegeben ist (Schlesw MDR 05, 250; St/J/Leipold § 321 Rz 27; Zö/Vollkommer § 321 Rz 2). Die Einrede kann ausschließliches Berufungsziel sein (Celle OLGR 95, 204; Rostock OLGR 09, 102, 103; St/J/Münzberg Rz 5). Auch die Aufnahme des Vorbehalts kann – alleiniges – Berufungsziel sein; ein den Erben in Anspruch nehmender Kl ist durch den Ausspruch des Vorbehalts regelmäßig iSd § 511 II Nr 1 beschwert, da ein solcher Vorbehalt mit der Feststellung verbunden ist, dass das Gericht vom Vorliegen einer reinen Nachlassverbindlichkeit ausgeht, dies mit der Folge, dass im Fall der Rechtskraft des den Vorbehalt aussprechenden Urt das nachfolgende Gericht bei Erhebung einer – auf diesen Vorbehalt gestützten – Vollstreckungsabwehrklage des Erben an diese Beurteilung gebunden wäre (BGH NJW 21, 701 [BGH 21.10.2020 - VIII ZR 261/18]).
Rn 12
Im Revisionsverfahren kann die erstmalige Erhebung der Einrede ausnahmsweise dann zugelassen werden, wenn der Erbfall erst nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz eingetreten ist (BGHZ 17, 69, 73). Die Beschränkung der Haftung wird in einem derartigen Fall auch nach § 785 geltend gemacht werden können, wenn das Urt keinen Vorbehalt enthält. Das Revisionsgericht darf den Vorbehalt im Revisionsverfahren auch nachholen, wenn die in den Vorinstanzen erhobene Einrede nicht beschieden worden war, dies auch ohne besondere Revisionsrüge, da es sich um eine materiell-rechtliche Haftungsbeschränkung handelt (BGH WM 83, 661, 663). Verfolgt der Erbe mit der Revision allerdings nur die Aufnahme des Vorbehaltes, ist die Revision unzulässig (BGHZ 54, 204, 205, 206).