I. § 784 I.
Rn 2
Die Anwendung des § 784 I setzt voraus, dass bei Anordnung der Nachlassverwaltung oder Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens die Vollstreckungsmaßnahmen bereits erfolgt sind; die Zwangsvollstreckung darf noch nicht beendet sein. Beginnt die Zwangsvollstreckung wegen Nachlassverbindlichkeiten in das eigene Vermögen des Erben erst nach dem Zeitpunkt der Anordnung der Nachlassverwaltung oder nach der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens, dann kann der Erbe gem §§ 781, 785, 767 vorgehen.
Rn 3
§ 784 I ist auf die Erschöpfungseinrede gem §§ 1973, 1974 BGB und die Dürftigkeitseinrede der §§ 1990, 1993 BGB entspr anzuwenden (St/J/Münzberg Rz 2, 5; Musielak/Voit/Lackmann Rz 2). Die Gleichstellung ist gerechtfertigt. Die Anordnung einer Nachlassverwaltung oder eines Nachlassinsolvenzverfahrens führt dazu, dass der Erbe endgültig beschränkt für die Nachlassverbindlichkeiten haftet, ausgenommen für den Fall, dass bereits eine unbeschränkte Haftung eingetreten ist. Eine endgültige Haftungsbeschränkung erfolgt jedoch auch dann, wenn die Erschöpfungseinrede oder die Dürftigkeitseinrede durchgreift. Es erscheint sinnvoll, diese Sachverhalte, die sämtlich zu einer endgültigen Haftungsbeschränkung führen können, soweit nicht bereits die unbeschränkte Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeiten eingetreten ist, nicht unterschiedlich zu behandeln.
Rn 4
Der Erbe darf die Beschränkungsmöglichkeit noch nicht verloren haben, sonst greift § 784 I nicht ein. Dem Erben, der als Schuldner verurteilt worden ist, muss zudem die Beschränkungsmöglichkeit vorbehalten sein (MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rz 2).
II. § 784 II.
Rn 5
Ist Nachlassverwaltung gem § 1981 BGB angeordnet, und hat ein persönlicher Gläubiger des Erben Zwangsvollstreckungsmaßnahmen anbringen lassen, kann der Nachlassverwalter gem § 784 II seinerseits mit der Klage nach §§ 785, 767 die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklären und gem § 776 die Vollstreckungsmaßregel aufheben lassen. Hierdurch wird § 1984 II BGB realisiert, wonach Zwangsvollstreckungen und Arreste in den Nachlass zug eines persönlichen Gläubigers des Erben bei Anordnung der Nachlassverwaltung ausgeschlossen sind. Unerheblich ist es in diesem Zusammenhang, ob vorher bereits eine Beschränkung nach § 783 stattgefunden hat (St/J/Münzberg Rz 4). Geht allerdings der Nachlassverwalter nicht nach § 784 II vor, wird die Vollstreckung ohne weiteres – entgegen § 1984 II BGB – fortgesetzt (St/J/Münzberg Rz 4; MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rz 2).
Rn 6
Bei Nachlassinsolvenz gilt über das allg Vollstreckungsverbot des § 89 I InsO hinaus § 321 InsO. Danach geben Vollstreckungsmaßnahmen, die in der Zeit zwischen dem Eintritt des Erbfalles und der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens erfolgen, kein Recht zur abgesonderten Befriedigung. Setzt der Gläubiger dennoch die Vollstreckung fort, kann der Insolvenzverwalter die Verletzung des § 321 InsO mit der Erinnerung nach § 766 rügen (Wieczorek/Schütze/Paulus Rz 10; Schuschke/Walker/Raebel Rz 3).