Rn 3

Prozessvergleiche gem § 794 I 1 setzen voraus, dass sie vor einem deutschen Gericht abgeschlossen werden; dies sind zunächst Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Der Vergleich kann auch vor einem Strafgericht, bspw im Privatklageverfahren oder dem Adhäsionsverfahren, geschlossen werden (Stuttg NJW 64, 110, 111 [OLG Stuttgart 30.07.1963 - 8 W 111/63]), auch im Verfahren der Schiedsgerichtsbarkeit gem § 1053 III, vor den LwG (BGHZ 14, 381, 389, 390; 142, 84, 87; BGH NJW 99, 2806, 2807 [BGH 18.06.1999 - V ZR 40/98]), vor dem Bundespatentgericht (BPatG GRUR 96, 402 [BPatG 29.02.1996 - 2 Ni 8/93]) und in Verfahren nach dem FamFG gem §§ 86 I Nr 2, 156 I und § 86 I Nr 3 FamFG. Derartige Vergleiche können auch in Baulandsachen zustande kommen; hier kommt sowohl eine Einigung in Form des § 110 II BauGB als auch ein Vergleich gem § 794 I 1 in Frage (BGH NJW 03, 757, 758 [BGH 31.10.2002 - III ZR 13/02]). Auch im Arbeitsgerichtsverfahren können Vergleiche nach § 794 I Nr 5 geschlossen werden, wie die §§ 62 II, 85 I 1, 3 ArbGG ergeben. Verwaltungsgerichtliche Vergleiche nach § 106 VwGO sind Vollstreckungstitel gem § 168 I Nr 3 VwGO; für die Vollstreckung gelten die zivilprozessualen Vorschriften entspr, jedoch nur, solange die VwGO keine Sonderregelungen trifft, § 167 I VwGO. Insoweit können Prozessvergleiche nach § 794 I 1 abgeschlossen werden; soweit die Vollstreckung zug der öffentlichen Hand betroffen ist richtet sich die Vollstreckung nach dem VwVG, § 169 I 1 VwGO. Spezialregelungen gelten auch in der Sozialgerichtsbarkeit und in der Finanzgerichtsbarkeit. § 199 I Nr 3 SGG sieht vollstreckbare gerichtliche Vergleiche vor; für diese gilt wie im Verwaltungsverfahren tw das VwVG, § 66 I SGB X, zT finden die zivilprozessualen Vorschriften Anwendung, § 66 IV SGB X. Die Vollstreckung nach der AO erfolgt aufgrund besonderer Vorschriften, nämlich aufgrund vollstreckbarer Verwaltungsakte nach § 251 AO. Vor ausl Gerichten abgeschlossene Vergleiche werden im Inland als außergerichtliche behandelt, soweit nicht Spezialregeln eingreifen (St/J/Münzberg Rz 27).

 

Rn 4

Unvorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts ist unschädlich (BGHZ 35, 309, 314; NJW 86, 1348, 1349). Zur Beurkundung eines Vergleichs ist nicht nur das Kollegium des Prozessgerichts befugt, sondern auch der Einzelrichter, auch der beauftragte oder ersuchte Richter, ggf auch der Rechtspfleger (BGHZ 35, 309, 314).

 

Rn 5

Der Vergleich setzt ein kontradiktorisches Verfahren voraus; Anhängigkeit und damit jede Handlung, die ein Verfahren in Gang setzt, genügen; im ordentlichen Verfahren ist dies die Einreichung der Klage (MüKoZPO/Wolfsteiner Rz 25; Musielak/Voit/Lackmann Rz 4). Unerheblich ist es, ob die das Verfahren in Gang setzende Prozesshandlung statthaft und zulässig ist; unerheblich ist es auch, ob das angegangene Gericht sachlich und örtlich zuständig ist und ob der Rechtsweg zulässig ist (BGH MDR 68, 43 [BGH 05.07.1967 - VIII ZR 66/65]). Prozessvergleiche sind bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft möglich (BGH NJW 95, 1095, 1096 [BGH 01.02.1995 - VIII ZB 53/94]). Nicht maßgeblich sind die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens, des Gesuchs auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und der Verfassungsbeschwerde (zu letzterer BVerfG NJW 96, 1736 [BVerfG 18.01.1996 - 1 BvR 2116/94]). Ohne Auswirkung auf den Eintritt der formellen Rechtskraft ist auch die Gehörsrüge nach § 321a; diese bewirkt eine Hemmung der Rechtskraft nicht. Man wird jedoch, solange über eine Gehörsrüge nicht entschieden ist, einen Prozessvergleich zulassen müssen. Selbstständig anfechtbar sind Zwischenurteile nach §§ 280, 304 (BGH ZIP 06, 873), ebenso Vorbehaltsurteile (BGHZ 69, 270, 272); auch in derartigen Verfahren kann bis zum Eintritt der formellen Rechtskraft ein Prozessvergleich abgeschlossen werden.

 

Rn 6

Wird ein nicht statthaftes Rechtsmittel eingelegt, steht dies dem Abschluss eines Prozessvergleichs dann nicht entgegen, wenn die Entscheidung nicht grds einer Anfechtung entzogen ist. Scheidet im konkreten Fall ein Rechtsmittel aus, so bspw, weil der Wert der Beschwer gem § 511 II für die Berufung oder der Beschwerdewert des § 545 II 1 für die Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht erreicht wird, ist auch nach Einlegung des unzulässigen Rechtsmittels noch ein Prozessvergleich möglich. Zulässig ist ein Vergleich, der noch in derselben Verhandlung nach Protokollierung einer Klagerücknahme oder einer Rechtsmittelrücknahme geschlossen wird, wenn die Parteien zuvor ihren Willen zur Einigung zum Ausdruck gebracht haben; in diesen Fällen liegt ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang mit der Verfahrensbeendigung vor (München NJW 97, 2331, 2332; St/J/Münzberg Rz 19; aA Zö/Geimer Rz 4).

 

Rn 7

Nach § 794 I 1 können Prozessvergleiche auch im PKH-Verfahren gem § 118 I 3 oder im selbstständigen Beweisverfahren gem § 492 III abgeschlossen werden. Vergleiche können im Verfahren der einstweiligen Verfügung und im Arrestverfahren erfolgen (BGH NJW-RR 91, 1021, 1022 [BGH 28.02.1991 ...

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