Gesetzestext
(1) Ein von Rechtsanwälten im Namen und mit Vollmacht der von ihnen vertretenen Parteien abgeschlossener Vergleich wird auf Antrag einer Partei für vollstreckbar erklärt, wenn sich der Schuldner darin der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat und der Vergleich unter Angabe des Tages seines Zustandekommens bei einem Amtsgericht niedergelegt ist, bei dem eine der Parteien zur Zeit des Vergleichsabschlusses ihren allgemeinen Gerichtsstand hat.
(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Vergleich auf die Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist oder den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft.
(3) Die Vollstreckbarerklärung ist abzulehnen, wenn der Vergleich unwirksam ist oder seine Anerkennung gegen die öffentliche Ordnung verstoßen würde.
A. Normzweck.
Rn 1
Der Anwaltsvergleich dient der einvernehmlichen Streitbeilegung innerhalb oder außerhalb eines Verfahrens (Musielak/Voit/Voit Rz 1). Die Vorschrift wurde zusammen mit §§ 796b, 796c durch Art 1 Nr 4 des SchiedsVfG v 22.12.97 (BGBl I, 3224) anstelle der bisherigen Regelung des § 1044b in die ZPO aufgenommen. Nach der Änderung des § 794 I Nr 5 durch die 2. Zwangsvollstreckungsnovelle (vgl hierzu § 800 Rn 1) hat der Anwaltsvergleich ggü der vollstreckbaren Urkunde keine Vorteile mehr aufzuweisen; aus diesem Grund kommt dem vollstreckbaren Anwaltsvergleich erhebliche praktische Bedeutung nicht mehr zu (Wieczorek/Schütze/Schütze Rz 1; MüKoZPO/Wolfsteiner Rz 1).
B. Anwendungsbereich.
Rn 2
Nach Inkrafttreten des SchiedsVfG können vollstreckbare Anwaltsvergleiche nach § 62 II 1 ArbGG auch in Sachen abgeschlossen werden, die der Arbeitsgerichtsbarkeit unterliegen (St/J/Münzberg Rz 1; aA Anders/Gehle/Schmidt ZPO Rz 3). Vor Inkrafttreten des SchiedsVfG konnten Anwaltsvergleiche des § 1044b in Arbeitsgerichtssachen nicht für vollstreckbar erklärt werden, da nach § 101 III ArbGG die Vorschriften der ZPO über das schiedsrichterliche Verfahren auf arbeitsgerichtliche Angelegenheiten keine Anwendung finden. Anwaltsvergleiche in arbeitsgerichtlichen Sachen sind von Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit, nicht von den Arbeitsgerichten, für vollstreckbar zu erklären (Wieczorek/Schütze/Schütze Rz 3; Musielak/Voit/Voit Rz 2; aA Wieczorek/Schütze/Schütze § 796b Rz 3). Auch in Angelegenheiten, die der Verwaltungsgerichtsbarkeit unterliegen, ist die Vollstreckbarerklärung nicht ausgeschlossen. Zwar sieht § 168 VwGO keine Vollstreckung aus Anwaltsvergleichen vor; die VwGO verweist aber auf die zivilprozessualen Vorschriften; der BGH hat die Unterwerfung iSd § 794 I Nr 5 hinsichtlich einer dem öffentlichen Recht zuzuordnenden Forderung nicht beanstandet (BGH NJW-RR 06, 645, 646 [BGH 20.10.2005 - I ZB 3/05]). Die Vollstreckbarerklärung erfolgt auch hier durch Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit (St/J/Münzberg § 796 Rz 1; aA Musielak/Voit/Voit Rz 2).
Rn 3
Für eine Vollstreckung im Ausland nach Art 57 iVm Art 38 ff EuGVO bzw Art 50 I iVm Art 31 ff EuGVÜ/LugÜ ist der Anwaltsvergleich nicht geeignet, weil er nicht von einer Behörde beurkundet wird und deshalb keine öffentliche Urkunde nach Art 57 VO (EG) Nr 44/2000 bzw Art 50 EuGVÜ/LugÜ darstellt (St/J/Münzberg Rz 15; Musielak/Voit/Voit Rz 1; aA Wieczorek/Schütze/Schütze Rz 12; Trittmann/Merz IPRax 01, 178, 180 ff; krit auch Geimer IPRax 00, 366, 367). Dagegen kann der von einem Gericht für vollstreckbar erklärte Anwaltsvergleich als vom Gericht gebilligter Vergleich iSd Art 3 I 2a und Art 4 II EuVTVO (VO [EG] Nr 805/04 v 21.4.04 ABl L 143) gewertet und nach Art 24 I EuVTVO als Europäischer Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen bestätigt werden. Auch der von einem Notar für vollstreckbar erklärte Anwaltsvergleich kann als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden; es liegt eine unbestrittene Forderung nach Art 3 I 2d und Art 4 III EuVTVO vor; dies ergibt sich daraus, dass die Vollstreckbarerklärung durch den Notar nur mit beiderseitiger Zustimmung erfolgen kann (zu dieser Problematik Wagner IPRax 05, 189, 192; Gebauer NJ 06, 103, 104).
C. Voraussetzungen.
I. Vergleichsschluss.
1. Vergleich iSd § 779 BGB.
Rn 4
Die Parteien müssen einen materiell-rechtlich wirksamen Vergleich iSd § 779 BGB schließen. Der Vergleich setzt gegenseitiges Nachgeben voraus, wobei die Anforderungen nicht zu hoch angesetzt werden dürfen. Es reicht aus, wenn ein Verzicht auf eine gerichtliche Auseinandersetzung ausgesprochen, ein Vollstreckungstitel geschaffen oder im Kostenpunkt nachgegeben wird (BGH NJW-RR 05, 1303, 1304 [BGH 01.03.2005 - VIII ZB 54/04]; zum Prozessvergleich s § 794 Rn 13). Es können Ansprüche einbezogen werden, die als solche nicht im Streit sind (St/J/Münzberg Rz 1; Musielak/Voit/Voit Rz 3; aA MüKoZPO/Wolfsteiner Rz 3). Das Merkmal des gegenseitigen Nachgebens verlangt, dass die Parteien die Dispositionsbefugnis über den Vergleichsgegenstand haben (vgl § 794 Rn 13).
2. Unterwerfung.
Rn 5
Der Schuldner muss sich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwerfen. Für die Unterwerfungserklärung gelten dieselben Voraussetzungen wie für vollstreckbare Urkunden. Die Unterwerfung muss sich auf den zu vollstreckenden Anspruch beziehe...