Prof. Dr. Caroline Meller-Hannich
Gesetzestext
(1) Der verhaftete Schuldner kann zu jeder Zeit bei dem Gerichtsvollzieher des Amtsgerichts des Haftortes verlangen, ihm die Vermögensauskunft abzunehmen. Dem Verlangen ist unverzüglich stattzugeben; § 802f Abs. 5 gilt entsprechend. Dem Gläubiger wird die Teilnahme ermöglicht, wenn er dies beantragt hat und seine Teilnahme nicht zu einer Verzögerung der Abnahme führt.
(2) Nach Abgabe der Vermögensauskunft wird der Schuldner aus der Haft entlassen. § 802f Abs. 5 und 6 gilt entsprechend.
(3) Kann der Schuldner vollständige Angaben nicht machen, weil er die erforderlichen Unterlagen nicht bei sich hat, so kann der Gerichtsvollzieher einen neuen Termin bestimmen und die Vollziehung des Haftbefehls bis zu diesem Termin aussetzen. § 802f gilt entsprechend; der Setzung einer Zahlungsfrist bedarf es nicht.
A. Bedeutung und Normzweck.
Rn 1
Die Norm regelt die Vermögensauskunft des verhafteten Schuldners im Wesentlichen entsprechend § 902 aF. Für das Verfahren wird vielfach auf § 802f verwiesen.
B. Die einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen.
I. Verlangen des Schuldners und Verfahren (Abs 1).
Rn 2
Sobald der Schuldner es verlangt, ist ihm unverzüglich die Vermögensauskunft abzunehmen, selbst wenn er dies anlässlich seiner Verhaftung verlangt. In letztem Fall ist die Verhaftung nicht mehr erforderlich. In der Regel wird die Vermögensauskunft ansonsten sogleich vor Ort in der Haft abgenommen. Von einem schuldhaften Zögern ist aber noch nicht auszugehen, wenn der Gerichtsvollzieher kurzzeitig verhindert ist, wenn Nacht oder Feiertag ist oder ein notwendiger Dolmetscher nicht kurzzeitig gewährleistet werden kann (Musielak/Voit/Voit § 802i Rz 4). Zuständig ist der Gerichtsvollzieher des Amtsgerichts am Haftort (BTDrs 16/10069, 28) oder – falls der Schuldner noch nicht in die Vollzugsanstalt gebracht wurde – der verhaftende Gerichtsvollzieher. Abs 1 begründet indes keine originäre Zuständigkeit, sodass der Gerichtsvollzieher, der dem Schuldner die Vermögensauskunft am Haftort abgenommen hat, nicht aus Abs 1 für Nachbesserungsanträge zuständig ist – es bleibt insofern bei der Zuständigkeitsregel des § 802e (AG Lübeck JurBüro 22, 216). Der Gläubiger kann nach näherer Maßgabe des S 3 an der Abgabe der Vermögensauskunft teilnehmen und hat ein Fragerecht. Für den entspr Antrag ist das Modul H Formular nach Anl 1 zu § 1 I ZVFV (s § 802a Rn 4) heranzuziehen. Das Teilnahmeinteresse des Gläubigers ist in Verhältnis zum Freiheitsinteresse des Schuldners zu setzen, so dass eine Unerreichbarkeit des Gläubigers etwa zum Überwiegen des Schuldnerinteresses an baldiger Abgabe und Haftentlassung führt; umgekehrt das Gläubigerinteresse höher einzuschätzen ist, wenn sehr hohe Forderungen im Raum stehen und die Verzögerung nach den Umständen des Einzelfalls noch als zulässig anzusehen ist (vgl BGHZ 7, 287). Ist der in den Räumlichkeiten eines Dritten zu verhaftende Schuldner zur Abgabe der Vermögensauskunft bereit, verwehrt jedoch der Dritte dem Gläubiger die Anwesenheit, so steht es im Ermessen des Gerichtsvollziehers, die Vermögensauskunft ohne den Gläubiger abzunehmen (AG München DGVZ 22, 140 [Kriterien: zeitliche Verzögerung bei Ortswechsel, Möglichkeit zur Vermittlung der Gläubigerfragen durch den Gerichtsvollzieher]).
Für das Verfahren gilt § 802f V, so dass auch hier ein elektronisches Dokument zu errichten und dies dem Schuldner vorzulesen oder die Angaben zur Durchsicht auf einem Bildschirm wiederzugeben und ihm auf Verlangen ein Ausdruck zu erteilen ist.
II. Haftentlassung und weiteres Verfahren (Abs 2).
Rn 3
Nach Abgabe der Vermögensauskunft wird der Schuldner aus der Haft entlassen und es gelten § 802f V u VI, so dass auch dem Gläubiger ein Ausdruck zuzuleiten ist und das Vermögensverzeichnis in elektronischer Form dem nach § 802k zuständigen Gericht zu übermitteln ist. Die Entlassung muss in das Protokoll des Termins aufgenommen werden (HK-ZV/Sternal § 802i Rz 9). Der Haftbefehl ist anschließend verbraucht und kann nicht für eine weitere Verhaftung genutzt werden. Einer förmlichen Aufhebung bedarf es nicht (LG Tübingen v 14.4.15 – 5 T 72/15; LG Koblenz MDR 87, 944 [LG Koblenz 20.03.1987 - 4 T 100/87]). Zulässig ist sie aber (St/J/Würdinger § 802i Rz 11; Musielak/Voit/Voit § 802i Rz 9). Der Haftbefehl verbleibt bei dem Gerichtsvollzieher, der Vollzugsanstalt oder dem Vollstreckungsgericht; nicht beim Schuldner (HK-ZV/Sternal § 802i Rz 9).
III. Haftaussetzung, neuer Termin und Verfahren (Abs 3).
Rn 4
Es geht um die Situation, dass der Schuldner Unterlagen benötigt, um die Vermögensauskunft abgeben zu können. Der Gerichtsvollzieher kann dann nach seinem Ermessen die Vollziehung aussetzen und zugleich einen neuen Termin zur Abgabe bestimmen. Das Verfahren läuft dann gänzlich nach § 802f (s dort), nur dass keine Zahlungsfrist gesetzt werden muss (BTDrs 16/10069, 29). Erscheint der Schuldner nicht oder verweigert die Vermögensauskunft, endet die Aussetzung der Vollziehung und der Schuldner ist wieder zu verhaften.
IV. Rechtsbehelfe.
Rn 5
Dem Gläubiger steht die Erinnerung (§ 766) gegen die geplante Haftentlassung zur Verfügung, die Erfolg haben wird, wenn die Vermögensauskunft unvollständig oder falsch ist. Wurde der Schuldner bereits entlassen, ist der Gläubiger auf das Nachbesserungsverfah...