Rn 7
Die Pfändung nach § 808 setzt Alleingewahrsam des Schuldners voraus. Hat ein Dritter Mitgewahrsam, gilt § 809; die Pfändung kann also nur erfolgen, wenn der Dritte herausgabebereit ist (vgl § 70 II GVGA; § 809 Rn 5).
a) Wohnungsinhaber, Vermieter und Untermieter.
Rn 8
Der Wohnungsinhaber, gleichviel ob er Eigentümer oder Mieter ist, hat grds Alleingewahrsam an allen Sachen, die sich in der Wohnung befinden, auch wenn sie mitgemietet sind (zB bei möbliert gemietetem Zimmer). Der Vermieter, dem ein Betretungsrecht eingeräumt ist, etwa zur Pflege der in seinem Eigentum stehenden Sachen oder zur Erbringung von Dienstleistungen (zB bei Hotelzimmer), hat nicht deswegen (Mit-)Gewahrsam (MüKoZPO/Gruber Rz 14; Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 7; aA St/J/Würdinger Rz 15). Gewahrsam kann auch an Sachen bestehen, die sich in den Räumen eines Dritten befinden, z.B. wenn der Untermieter einen Teil seiner Sachen in anderen Räumen des Untervermieters verwahrt (vgl § 70 I 3 GVGA) oder der Untervermieter Sachen, die nicht mitvermietet sind, in dem untervermieteten Raum (zB in einem Schrank, der dem Untermieter nicht zur Benutzung überlassen ist) aufbewahrt (vgl Zö/Seibel Rz 5). In solchen Fällen ist der Gerichtsvollzieher auch berechtigt, die Räume des Dritten zur Durchführung der Vollstreckung zu betreten (vgl § 70 I 4 GVGA).
b) Mehrere Personen in einer Wohnung.
Rn 9
Leben in einer Wohnung mehrere Personen, hat grds der Haushaltsvorstand Alleingewahrsam an allen Sachen, es sei denn, sie werden von einem Bewohner unter alleinigem Verschluss aufbewahrt oder dienen offensichtlich allein dessen persönlichem Gebrauch. Sachen, die sich in einem einer erwachsenen Person zur Alleinbenutzung zugewiesenen Raum befinden, stehen in deren Alleingewahrsam (Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 7; aA Zö/Seibel Rz 9, der offenbar einem Familienangehörigen Gewahrsam nur bei entgeltlicher Überlassung eines Raums zur Alleinbenutzung zuerkennen will). Bei Eheleuten oder eingetragenen Lebenspartnern haben beide Gewahrsam an den Sachen in der gemeinsamen Wohnung, auch während der Strafhaft des einen Ehegatten/Lebenspartners, solange kein Getrenntleben anzunehmen ist (Ddorf NJW-RR 95, 963, 964 [OLG Düsseldorf 13.05.1994 - 3 W 371/93]). Soweit aber nach § 1362 I BGB das Eigentum des Schuldners vermutet wird, gilt er nach § 739 als alleiniger Gewahrsamsinhaber (vgl § 739 Rn 1–5); dies gilt nicht analog für nichteheliche Lebensgemeinschaften (BGHZ 170, 187, 191). Bei Wohngemeinschaften gibt es regelmäßig keinen Haushaltsvorstand; an den Sachen in den Gemeinschaftsräumen besteht Mitgewahrsam, Alleingewahrsam an den Sachen, die offensichtlich dem persönlichen Gebrauch eines Bewohners dienen oder die sich in zur alleinigen Nutzung überlassenen Räumen befinden (Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 7).
c) Behältnisse.
Rn 10
Der Inhalt eines Behältnisses, das nur der Schuldner öffnen kann (zB Banksafe, Automat in Gaststätte), steht in seinem Alleingewahrsam, auch wenn er für den Zutritt zu dem Behältnis der Mitwirkung eines Dritten (zB Bank, Gastwirt) bedarf (Frankf OLGR Frankf 98, 250 f). Kann er nur gemeinsam mit dem Dritten das Behältnis öffnen, haben beide Mitgewahrsam (Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 8).
d) Nicht voll Geschäftsfähige.
Rn 11
Beschränkt Geschäftsfähige oder Geschäftsunfähige können eigenen Gewahrsam haben, da es auf die tatsächliche Sachherrschaft ankommt. Sachen, die der gesetzliche Vertreter des Schuldners für diesen im Gewahrsam hat, sind wie solche im Gewahrsam des Schuldners zu behandeln (§ 70 I 5 GVGA). Der GV muss klären, ob der gesetzliche Vertreter den Gewahrsam für den Vertretenen oder für sich selbst ausüben will; in letzterem Fall ist er Dritter, sodass Pfändung nur nach § 809 erfolgen kann (vgl LG Berlin DGVZ 72, 113, 114).
e) Geschäftsräume.
Rn 12
Bei Geschäfts- und Betriebsräumen hat im Zweifel der Inhaber Alleingewahrsam, seine Mitarbeiter sind Besitzdiener (vgl oben Rn 6), soweit es sich nicht um offenkundig persönlichen Besitz des Arbeitnehmers handelt (BGH NJW 15, 1678, 1679 [BGH 30.01.2015 - V ZR 63/13]).
f) Gewahrsam juristischer Personen.
Rn 13
Für juristische Personen übt das Vertretungsorgan (zB Vorstand, Geschäftsführer, Liquidator), für Personengesellschaften der geschäftsführende Gesellschafter (zB für die GmbH & Co. KG die GmbH, für diese ihr Geschäftsführer, LG Düsseldorf JurBüro 87, 1425) Gewahrsam aus. Der Vertreter hat seinerseits keinen eigenen Gewahrsam, solange er die tatsächliche Sachherrschaft äußerlich erkennbar für die juristische Person innehat (Köln JurBüro 96, 217, 218; BGHZ 156, 310, 316 für Ein-Mann-GmbH). Dies gilt auch für Gesellschaftsvermögen, das sich in Privaträumen des Vertretungsorgans (LG Mannheim DGVZ 83, 118) oder in der tatsächlichen Sachherrschaft eines Kommanditisten befindet (vgl KG NJW 77, 1160 [KG Berlin 17.08.1976 - 1 W 3039/76]). An den Gegenständen in den Geschäftsräumen der juristischen Person hat diese regelmäßig Gewahrsam (Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 9; vgl aber LG Berlin DGVZ 98, 27, 28). Der Gewahrsam der juristischen Person bleibt bestehen, wenn sie ihre werbende Tätigkeit eingestellt hat, aber noch die Abwicklung der Geschäfte betrieben wird (LG Kassel DGVZ 78, 114). Endet ...