1. Allgemeines.
Rn 3
Die Prozessvollmacht bezieht sich auf den Rechtsstreit und damit auf ein konkretes Streitverhältnis zwischen bestimmten Parteien. Dieses Prozessrechtsverhältnis ist der maßgebliche Bezugspunkt für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Prozessvollmacht. Sie ist weder auf ein bestimmtes Gericht noch auf eine bestimmte Instanz beschränkt, umfasst vielmehr alle Rechtszüge einschl der zugehörigen Kostenfestsetzungsverfahren und gilt auch nach Verweisung oder Abgabe an ein anderes Gericht, selbst wenn der Prozessbevollmächtigte dort nicht zugelassen sein sollte. Kraft seiner Vollmacht darf er dann einen Bevollmächtigten bestellen, der in einem solchen Fall Vertreter der Partei wird (BGH NJW-RR 03, 51, 52 [BGH 09.07.2002 - X ZR 70/00]; NJW 06, 2334, 2335). Sie besteht auch nach Klageänderung oder Erweiterung oder nach dem Beitritt eines Streithelfers fort. Selbst eine Parteiänderung auf Seiten des Gegners beeinflusst die Vollmacht nicht (St/J/Jacoby § 81 Rz 6, 19; MüKoZPO/Toussaint § 81 Rz 4). Die vom Nebenintervenienten des Beklagten erteilte Prozessvollmacht umfasst auch dessen Vertretung als Bekl (BGH NJW 72, 52). Nur wenn eine Klage gegen eine andere als in der Vollmacht bezeichnete Partei erhoben oder erweitert werden soll oder wenn eine andere Person an die Stelle des Vollmachtgebers tritt, bedarf es einer neuen Vollmacht (St/J/Jacoby § 81 Rz 4). Sie ermächtigt auch zur Bestellung eines Prozessbevollmächtigten für den Berufungsrechtszug (BGH NJW-RR 94, 542 [BGH 18.01.1994 - XI ZR 95/93]) bzw allgemein für höhere Instanzen (BGH Beschl v 27.7.17 – V ZR 67/17). Bei der Wiederaufnahme ist zu beachten, dass es einer neuen Beauftragung bedarf, weil das Mandatsverhältnis mit Abschluss des Prozesses idR endet (BGH NJW 60, 818; Musielak/Voit/Weth § 81 Rz 2; § 86 Rn 3). Diese Grundsätze gelten auch für die schon vor der Einleitung eines Prozesses erteilte Prozessvollmacht, wenn Gegenstand des Auftrags die bestmögliche Durchsetzung der Rechte war (BGH NJW-RR 06, 279, 280 [BGH 23.06.2005 - IX ZR 197/01]).
2. Einzelheiten.
Rn 4
Die Aufzählung der Befugnisse ist nur beispielhaft und nicht abschließend und dem Normzweck entsprechend eher weit auszulegen. Neben der Widerklage (§ 33), der Wiederaufnahme (§§ 578 ff), der Rüge nach § 321a und der Zwangsvollstreckung gehören auch zum Rechtsstreit iSd Norm: Das Kostenfestsetzungsverfahren einschließlich der Beschwerde (BVerfGE 81, 127 [BVerfG 29.11.1989 - 1 BvR 1011/88]; Kobl NJW-RR 97, 1023 [OLG Koblenz 05.06.1996 - 14 W 288/96]; Hamm OLGR 05, 385, 386); die Streitwertbeschwerde (§ 68 I GKG; Stuttg JurBüro 75, 1102); die Beschwerde im Ablehnungsverfahren nach § 46 (BGH NJW 05, 2233, 2234 [BGH 06.04.2005 - V ZB 25/04]), auch wenn die Partei das Ablehnungsgesuch selbst gestellt hatte (Ddorf OLGR 95, 162); das mit dem Streitverhältnis in Zusammenhang stehende PKH-Verfahren (Brandbg OLGR 03, 37, 38) einschließlich des nach Beendigung des Verfahrens eingeleiteten Überprüfungsverfahren nach § 120 IV (BGH NJW-RR 16, 897 [BGH 11.05.2016 - XII ZB 582/15] Rz 6; Beschl v 8.12.10 – XII ZB 39/09 Rz 29; BAG NJOZ 06, 3452, Hamm Beschl v 14.2.23 – 4 WF 3/23 Rz 6, wenn der Prozessbevollmächtigte den PKH-Antrag gestellt hatte; aA Kobl FamRZ 09, 898; Hamm MDR 09, 826; Brandbg FamRZ 10, 578, wenn sowohl das PKH-Bewilligungsverfahren als auch das Hauptsacheverfahren bereits beendet ist; eine AGB-Klausel über die Ausklammerung des Überprüfungsverfahrens kann unwirksam sein (LAG Sachsen-Anhalt Beschl v 10.8.23 – 5 Ta 65/22 Rz 16f); das damit in Zusammenhang stehende selbstständige Beweisverfahren (§§ 485 ff); das Nachverfahren nach §§ 302 IV, 600; die Verfahren nach § 302 IV 4 oder § 717 II nur, wenn sie im Verfahren selbst geltend gemacht werden; das Verfahren über die Wirksamkeit des Prozessvergleichs (St/J/Jacoby § 81 Rz 5). Die Prozessvollmacht erstreckt sich weiter auf die Zwangsvollstreckung (Naumbg OLGR 98, 107, 109) einschließlich einer aus dem Rechtsstreit hervorgegangenen Vollstreckungsgegenklage (KG KGR 93, 191; Nürnbg OLGR 03, 266).